1271
II. Bon dem Schluß= und Defensions-
Verfahren. «
H.32.Nachbeendigteruntersuchung
wird sogleich das Schluß-Verfahren vorge-
nommen, welches die Vertheidigung des
Angeschuldigten zu seinem Hauptzwecke bat.
Dieses geschieht bei geöffneten Gerichts-
thüren.
G. 33. Bei diesem Schluß-Verfabren
entwickelt zuerst der Kronfiskal in einem
mündlichen Vortrage die vorzüglichen An-
klags-Punkte, welche wider den Beschul-
digten streiten, und begründet sie mit den
aus den Akten sich ergebenden Beweisen.
Hierauf wird der Angeschuldigte von dem
Gerichts: Vorstande aufgefodert, diejenigen
Umstände oder Rechtsgründe anzugeben, wel-
che er zur Abwendung oder Milderung der
Strafe fuͤr sich anzufuͤhren habe.
W. 34. Dem Beklagten ist zu diesem Be-
bufe auf Verlangen ein Vertbeidiger beizu-
geben, welchem vor dem Schluß-Termine
selbst, um sich zu diesem gehörig vorzuberei-
ten, die Einsicht sämtlicher Akten, so wie
eine Unterredung mit dem Beklagten (beides
jedech nur in Gegenwart einer Gerichts-
Person) zu gestatten ist.
Dem Vertbeidiger ist zu seiner Vorberei=
tung mehr nicht, als ein Zeitraum von böch-
stens a4. Seunden zu gestatten, nach de-
ren Verlaufe das Schluß, Verfabren vorge-
nommen wird.
Pertheidiger, welche sich einer pflicht-
widrigen Verzögerung oder anderer unerlaub-
ter Handlungen schuldig machen, sind un-
1272
nachsichtlich mit Geld-und Gefaͤngniß-Strafe
zu belegen.
K. 35. Nach vollenderer Defensions-Hand=
lung schreiten die Richter, bei verschlossenen
Thüren und nach Enefernung aller Uebri-
gen, zur Berathschlagung und Urtbeilsschs-
pfung. Der Präsident wiederbolt in Kür-
#e das Faktum, nebst den für und gegen
die Schuld des Untersuchten streitenden Grün-
den, und führt dann die Erwägung auf fol-
gende drei Fragpunkte zurück:
) ob rechtlicher Bewels vorbanden ist,
daß der Untersuchte des Verbrechens schul-
dig sey?
b) welche erschwerende oder mildernde Um-
stände dabei eintreten?
D) welche Strafe daher auf das Verbrechen
unter diesen Umständen zu befstimmen
sey 7
C. 36. Ueber jeden dieser Punkte hat der
Vorsizende besonders umzufragen, und die
Stimmen der Richter mit den Gründen
zum Protokolle zu geben.
§. 37. Unter den Richtern gibt derjeni-
ge, welcher die Untersuchung geführt bar,
zuerst seine Stimme, die übrigen nach dem
NRange des Dekrets von unten auf.
Sind die Seimmen gleich, so eneschei-
det der Vorsszende, welcher nur Eine Stim-
me, und zwar die lezte bat.
6. 38. Das geschöpfte Urebeil wird durch
den Präsidenten wörtlich zu Protokoll gegeben,
und dieses von den sämtlichen Mitgliedern
des Gerichte unterschrieben.