762 Nr. 137. 1915.
3. Die Möglichkeit der Übertragung des Eigentums soll übermäßigen
Preissteigerungen bei Gegenständen des täglichen Bedarfs und der Neigung
entgegenwirken, solche Gegenstände in der Erwartung ungewöhnlicher Preis-
steigerung einstweilen dem Verkehr vorzuenthalten. Es liegt im allgemeinen
Interesse, wenn das Enteignungsverfahren gegebenenfalls rücksichtslos ange-
wendet wird. Die Verordnung findet leine Anwendung auf Gegenstände, für
die Höchstpreise festgesetzt sind.
Die Bekanntmachung über Vorratserhebungen vom 2. Februar 1915
(Reichs-Gesetzbl. S. 54) bietet die Möglichkeit, Aufschluß darüber zu gewinnen,
ob ein im Verkehr auftretender Mangel an Gegenständen des täglichen Bedarfs
durch eine spekulative Zurückhaltung verursacht ist.
Bei der Beurteilung der Frage, ob Gegenstände des täglichen Bedarfs über
Gebühr zurückgehalten worden sind, wird häufig die Person des Eigentümers
von Bedeutung sein. Sind die Gegenstände von dem Eigentümer in Ausübung
seines Berufs zum Zwecke der Veräußerung erzeugt oder erworben, so werden
die Voraussetzungen für die Enteignung insoweit nicht gegeben sein, als die Vor-
rate die Mengen nicht übersteigen, die im regelmäßigen Wirtschafts- und Ge-
schäftsbetriebe zur allmählichen Versorgung des Marktes erforderlich sind und
erst nach und nach abgegeben zu werden pflegen. Diese Gesichtspunkte kommen
im allgemeinen nicht in Betracht, wenn sich die Gegenstände, namentlich in
größeren Mengen, in der Hand von Personen befinden, die sich vor Ausbruch des
Krieges nicht mit ihrem Vertriebe befaßt haben.
Der Zurückhaltung der Gegenstände ist es gleich zu achten, wenn sie den
Verbrauchern und dem Handel nur zum Scheine oder zu übermäßigen, die Mög-
lichkeit von Ankäufen beeinträchtigenden Preisen oder unter Bedingungen an-
geboten werden, die das Angebot als nicht ernst gemeint erkennen lassen.
4. Der mit der Verordnung verfolgte Zweck verlangt, daß die zu enteig-
nenden Gegenstände so bald wie möglich dem Verbrauche zugeführt werden. In
der Regel werden daher die Gemeinden, ortsansässige Händler oder Konsum-
vereine, die bereit sind, den Absatz der Gegenstände zu bewirken, als Erwerber
in Frage kommen. Ihnen ist die Verpflichtung aufzuerlegen, die Gegenstände
unverzüglich zu einem von der enteignenden Behörde zu bestimmenden oder zu
genehmigenden Preise an das Publikum abzugeben.
5. Zur Einleitung des Verfahrens der Übertragung des Eigentums ist
ein Antrag nicht erforderlich.
Die örtlichen Verwaltungsbehörden haben, sobald ihnen ein Fall bekannt
wird, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen für die Enteignung gegeben sind,
unverzüglich, nötigenfalls telegraphisch, die Landesbehörde für Volksernährung