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Gorschriften über die Eidesleistung der Juden.
1.
Alle Eide der Juden, die ihnen von dem Gegentheil zu- oder zuruͤckgeschoben, oder
von dem Richter auferlegt werden, sollen in der Regel in der Synagoge oder Schule ab-
geleistet werden.
2
Zu jeder Eidesleistung hat der Schwörende zwey Zeugen mitzubringen, auch soll ein
Nabiner oder in dessen Ermangelung ein jüdischer Assessor oder Gelehrter gegenwärtig seyn.
3.
Ist die Gegenpartey des Schwoͤrenden ein im Orte sich aufhaltender Jude: so soll
auch dieser bey der Eidesleislung in Person erscheinen. Diesem wird durch den Rabiner,
Assessor oder Gelehrten die Strafe des Banneß angedrohet, wenn er etwa ohne Grund auf
der Eidesleistung bestünde. Er selbst hat diese Ankündigung. mit Amen zu beantworten.
4.
Der Schwörende soll sich zur Eidesleistung durch Abwaschung der Hände, so wie
burch Anlegung des Gebethmantels und der Gebethschnur vorbereiten.
5
Es hängt von dem Richter ab, ob er den Schwörenden vom Rabiner privatim vor
dem Schwörungs-Termine oder öffentlich in demselben vor dem Mesnelbe verwarnen lassen
will. Im lehtern Falle muß der Rabiner dem Schwörenden folgende Warnung vorhalten:
ein jeder gläubige Israelit ist schuldig, der Obrigkeit, sie sey jüdisch oder christlich, bev“
Pechtsstreitigkeiten die Wahrheit zu gestehen und solche, auf Begehren, mit einem
Eide zu bekraftigen. Ein von der christlichen Obrigkeit geforderter Eid ist also, nach
der Lehre der Rabiner, für keinen unrechtmäßiger Weise erzwungenen Eid zu achten.
Wer die christliche Obrigkeit durch einen falschen Eid hintergehet oder dabey etwas ande-
reb denkt, als er sagt, der entheiliget den Nahmen Gottes und begehet einen Meineid.
Der Meineid ist das schrecklichste Verbrechen, dessen sich der Mensch schuldig machen kann.
Die ganze sittliche Welt beruhet auf dreyerley, auf Recht, Wahrheit und Frieden. Un-
gerechtigkeit und Lügen sind also schon an sich selbst höchst strasbare Verbrechen, indem