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Man waͤhle zur Operation die untere, haarlose Stelle des Schwanzes, wo
die mit Entzuͤndung verknuͤpften Pocken, wie zahlreiche Erfahrungen bewiesen ha-
ben, weniger Beschwerden verursachen und ruhiger verlaufen koͤnnen, als am
Schenkel, Schulterblatte, oder Ohr. Zwar macht das am Schwanze geimpfte
Thier häufig Versuche, die juckende Pocke zu benagen, es vermag sie aber um so
weniger zu zerstören, je näher die Impf-Stelle dem After ist. Die Impf-Wunde
Larf nur bis unter die Oberhaut dringen, weil tiefere Verletzungen leicht heftige
Entzündung und Brand zur Folge haben; eine gleichmäßige, mehr warme, als
kalte Temperatur ist hierbey besonders förderlich.
Die Schutz-Impfung unternimmt man im Herbste, als in der dazu
günstigsten Jahrcszeit; man trifft dabey die nöthigen Vorkehrungen zu Vermeidung
aller nachtheiligen Einflüsse und sorgt vorher für guten oder so genannten kultivir-
ten Impf-Stoff, welcher dadurch gewonnen wird, daß man von einem pocken-
kranken Schaafe mit oben beschriebenen guten Pocken ein ganz gesundes und ge-
hörig abgesondertes, von lebteren ein anderes und so weiter bis zum fünften
Schaafe impft, mit dessen Lymphe man dann die Impfung allgemein anstellt. Es
versteht sich von selbst, daß die Größe der Heerde die vorbereitende Impfung an
mehren einzelnen Stücken nothwendig machen kann, damit Impf-Stoff genug
vorhanden sey.
Trockne und schöne frühzeitige Herbstwitterung, z. B. im September, eignet
sich zur Schutz-Impfung am besten, zu welcher Zeit auch die Lämmer kräftig
genug sind, um das nach Impfung eintretende Fieber besser zu ertragen.
Ist die Impfung vollendet, so sieht man am eilften und zwölften Tage nach
deren Erfolg, um diejenigen Stücke, bey welchen sich keine Pocke zeigt, an einer
andern Stelle des Körpers nachzuimpfen. Zeigen sich schon drey bis vier Tage
nach der Impfung ausgebildete Pocken, die bereits am fünften, sechsten Tage ei-
tern und bald darauf abheilen, so darf man der Schutzraft derselben nicht trauen,
sondern man muß die Impfung wiederholen.
Da der Anfang der Seuche oft verkannt werden kann, so wird auf folgende
Merkmale derselben aufmerksam gemacht.
Bemerkt man bey dem Aus= und Eintreiben einzelne Schaafe, welche steif und
besonders mit breitgestellten Hinterfüßen gehen, bey genauer Untersuchung aber
zwischen den Schenkeln oder an anderen unbewollten Stellen rothe, den Floh-
stichen ähnliche, Flecken, oder gar schon kleine Blattern haben und findet dabey
vermehrte Wärme über den ganzen Körper, und, wenn die Blattern schon in der
Ausbildung begriffen sind, ein schleimiger Ausfluß aus der Nase Statt: so kann
mit Gewißheit angenommen werden, daß die Heerde von den Pocken angesteckt