Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach auf das Jahr 1854. (38)

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Die Entscheidung kann von der Bedingung abhängig gemacht werden, daß 
zuvor Zeugen, welche zu Gunsten des Angeschuldigten ausgesagt haben, ihre 
Aussagen eidlich bekräftigen. Dann hat der Untersuchungsrichter die Entschei- 
dung erst nach erfolgter Vereidung dem Angeschuldigten bekannt zu machen. 
Kann die Vereidung nicht erfolgen, oder ändern die Zeugen ihre früheren 
Aussagen: so ist eine anderweite Entscheidung einzuholen. 
Ist bei einem abwesenden Angeschuldigten zu vermuthen, daß im Falle 
seiner Wiedererlangung der gegen ihn streitende Verdacht sich erhöhen werde, so 
kann statt der Entscheidung, daß der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand 
zu versetzen sey, beschlossen werden, daß die Sache bis zur Wiedererlangung des 
Angeschuldigten auf sich beruhen solle. 
Treten die in dem vorigen Artikel gedachten Fälle nicht ein und erscheint 
der Angeschuldigte insbesondere dringend verdächtig, so ist ein Verweisungs- 
beschluß auf Versetzung des Angeschuldigten in den Anklagestand zu ertheilen. 
Der Verweisungsbeschluß hat den Namen des Angeschuldigten, das ihm zur Last 
gelegte Verbrechen und das Strafgesetz, nach welchem es zu bestrafen ist, 
zu bezeichnen. 
In der Bezeichnung des Verbrechens und des Strafgesetzes ist das Gericht nicht 
an die Anträge der Staatsanwaltschaft gebunden. Auch ist eine eventuelle Bezeich- 
nung des Verbrechens und der anzuwendenden Strafgesetze zulässig. 
Die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Benutzung von Beweismitteln in 
der Hauptverhandlung dürfen nicht abgelehnt werden. 
Das Gericht kann jedoch von Amtswegen die Benutzung von Beweismitteln 
in der Hauptverhandlung, welche die Staatsanwaltschaft nicht beantragt hat, und 
die es für erforderlich erachtet, namentlich die Vorladung von Zeugen und Sach- 
verständigen, oder auch die Vorlesung der in der Voruntersuchung erstatteten 
Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen anordnen. 
Die in den §.S. 34—36 gesächter Entscheidungen sind bei Strafe der 
Nichtigkeit mit den Unterschriften der Gerichtsmitglieder, welche an der Beschluß- 
fassung Theil genommen haben, zu versehen. 
Weicht die Entscheidung des Gerichtes von den Anträgen der Staatsan- 
waltschaft ab: so ist dieselbe der letzteren sofort mitzutheilen. 
Die Anklagekammer theilt den Verweisungsbeschluß nebst den Akten dem 
Ober-Staatsanwalte mit, welcher sodann die Anklageschrift zu entwerfen hat. 
Die Anklageschrift und der Verweisungsbeschluß ist dem Angeklagten, bei
	        
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