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8. Soweit Abtritte im Hinblick auf den öffentlichen Verkehr (A Nr. 14 der „Maß—-
nahmen“) zu desinfiziren sind, empfiehlt es sich, täglich in jede Sitzöffnung mehrmals Kalkmilch
oder ein anderes gleichwerthiges Mittel in einer der Häufigkeit der Benutzung entsprechenden
Menge zu gießen. Tonnen, Kübel u. dergl., welche zum Auffangen des Koths in den Ab-
tritten dienen, sind nach dem Entleeren reichlich mil Kalkmilch oder einem anderen gleichwerthigen
Mittel außen und innen zu bestreichen.
Die Sitze selbst sind mit Kalkmilch oder einer der 3 Lösungen von Kaliseife, Karbolseife
oder Karbolsäure zu reinigen.
9. Wo eine genügende Desinfektion in der bisher angegebenen Weise nicht ausführbar
ist, z. B. bei Matratzen und Federbetten in Ermangelung eines Dampfapparates oder
wenn ein Mangel an Desinfektionsmitteln eintreten sollte, sind die zu desinfizirenden Gegen-
stände mindestens 6 Tage lang außer Gebrauch zu setzen und an einem warmen, trockenen, vor
Regen geschützten, aber womöglich dem Sonnenlicht ausgesetzten Orte gründlich zu lüften.
Strohsäcke können mit ihrem Inhalt im Dampfapparat desinfizirt werden; zweck-
mäßiger ist es, mit dem Stroh nach Nr. 10 zu verfahren und die Hülle wie die Wäsche (Nr. 3)
zu desinfiziren.
Polstermöbel, deren Holzwerk keinen Fournierbelag hat und nicht durch Leim zu-
sammengehalten wird, können im Dampfapparat desinfizirt werden. Ist letzteres nicht an-
gängig, so werden die Holztheile mit Kaliseifen-, Karbolseifen= oder Karbolsäurelösung ab-
gewaschen, sonst, wie in Abs. 1 angegeben, behandelt.
10. Gegenstände von geringem Werthe sind zu verbrennen oder in Gruben zu schütten,
daselbst mit Kalkmilch zu übergießen und mit Erde zu bedecken.
Die Desinfektion ist dort, wo sie geboten erscheint, insbesondere wenn Orte, die dem
öffentlichen Verkehr zugänglich sind, gefährdet erscheinen oder wo sonst eine Infektion zu be-
sorgen ist oder stattgefunden hat, mit der größten Strenge durchzuführen. Im Uebrigen ist
aber vor einer Vergeudung von Desinfektionsmitteln eindringlich zu warnen; unnöthige und
unwirksame Desinfektionen bedingen unnützen Kostenaufwand und vertheuern die Preise der
Desinfektionsmittel, verleiten aber auch das Publikum zu Sorglosigkeit in dem Gefühle einer
trügerischen Sicherheit.
Reinlichkeit ist besser als eine schlechte Desinfektion.
11. Der Kiel.(Bilge-)Raum der im Fluß= und Binnenschiffahrtsverkehr benutzten Fahr-
zeuge wird durch Eingießen von Kalkmilch, welche, sofern Raum und Ladung es zulassen, zuvor
mit der zehnfachen Wassermenge zu verdünnen ist, desinfizirt.
Die frisch zubereitete Desinfektions-Flüssigkeit (s. v. I I.) wird an verschiedenen Stellen
des Kielraums dem Kiel-(Bilge-) Wasser — erforderlichen Falles unter Anwendung eines Trich-
ters — zugesetzt und durch Umrühren mittels Stangen oder dergleichen mit demselben gemischt.
Von der Flüssigkeit muß soviel eingegossen werden, daß das im Bilgeraum entstehende Gemisch
einen Streifen rothes Lackmuspapier stark und dauernd blau färbt; diese Prüfung ist nicht
dort, wo die Kalkmilch zugesetzt worden ist, vielmehr an einer anderen geeigneten Stelle aus-
zuführen und zwar in der Weise, daß das Lackmuspapier vor etwaiger Berührung mit der
Wandung, z. B. durch ein Blechrohr geschützt ist.
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