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8 10.
Privatunterricht, welcher den Unterricht der Volksschule vertreten soll, kann
nur von Lehrern oder Lehrerinnen erteilt werden, welche die geordneten Prüfungen
bestanden haben oder sonst von der Oberschulbehörde für gqualifiziert erachtet
werden.
Privatunterrichtsanstalten und Fabrikschulen mit solcher Berechtigung be-
dürfen überhaupt der Genehmigung der obersten Schulbehörde und stehen unter
der Aufsicht derselben. Die Genehmigung darf nur unter ausdrücklicher An-
führung der Gründe versagt werden.
8 1I.
Wenn die Eltern eines schulpflichtigen Kindes oder deren Stellvertreter
ihre Verpflichtung in Bezug auf die Unterrichtung ihres Kindes in einer der
in diesem Gesetze namhaft gemachten Richtungen versäumen, so sind dieselben,
namentlich im Wiederholungsfalle, mit Geldstrafe bis zu 150 Reichsmark oder
mit Haftstrafe zu belegen. ))
Die beigezogenen Geldstrafen fallen der betreffenden Schulgemeinde zur
Verwendung für Schulzwecke zu.
Im äußersten Falle kann auf Antrag der Schulbehörde die Erziehung
den Eltern oder deren Stellvertretern durch das Vormundschaftsgericht ganz
entzogen und einer andern Pflege anvertraut werden.)
1) In dem Volksschulgesetz vom 24. Juni 1874 ist, der damaligen Gesetzgebung entsprechend,
gesagt, daß die Bestrafung „auf Antrag der Schulbehörde“ erfolgen soll. Durch die Ministerial-
bekanntmachung vom 24. Januar 1880 (Regbl. S. 6) ist jedoch den Schulämtern und den Schulvor-
ständen das Recht verliehen worden, in Gemäßheit des Gesetzes vom 12. April 1879 über die polizeiliche
Straffestsetzung (Regbl. S. 153) und des Nachtrags dazu vom 16. Dezember 1899 (Regbl. S. 789)
selbst Strafen auszusprechen, und zwar den Schulämtern Haftstrafe bis zu 14 Tagen sowie Geldstrafe
bis zu 150 Mark, den Schulvorständen nur Geldstrafe bis zu 150 Mark. — Siehe außerdem die
Ministerialbekanntmachung vom 5. Juli 1879, betr. das polizeiliche Straffestsetzungsverfahren, (Regbl.
S. 383) und die „Instruktion für die Schulvorstände behufs Handhabung der polizeilichen Straffest-
setzung“ vom 24. Januar 1880 (Kirchen= und Schulblatt S. 39).
2) In dem Volksschulgesetz vom 24. Juni 1874 findet sich hierzu folgender Zusatz: „(ct. 8 16
des Gesetzes über die elterliche Gewalt und das Vormundschaftswesen vom 27. März 1872.)). Das
erwähnte Gesetz ist aber durch § 230 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (vom
5. April 1899, Regbl. S. 123) aufgehoben worden. Die Unterbringung in einer anderen Pflege
erfolgt nunmehr nach Maßgabe der Vorschriften in §§ 1666 und 1838 des Bürgerlichen Gesetzbuches und
der §§ 200 bis 209 des erwähnten Ausführungsgesetzes vom 5. April 1899.