Preußen u. Oestreich — Leporello u. Don Juan. Vertrag v. 20. April. 111
Unter dem 5. Mai schrieb mir Manteuffel folgenden pikirten
Briefy:
„General von Gerlach theilt mir soeben mit, daß des Königs
Majestät Euer Hochwohlgeboren behufs Besprechung über die
Behandlung des österreichisch-preußischen Bündnisses am Bunde
hier anwesend zu sehen befohlen und daß der Herr General
in diesem Sinne Euer Hochwohlgeboren bereits geschrieben habe#.
In Gemäßheit dieses Allerhöchsten Befehls, von dem mir übrigens
vorher nichts bekannt gewesen, darf ich keinen Anstand nehmen,
Euer Hochwohlgeboren ganz ergebenst zu veranlassen, sich un-
verzüglich hierher zu verfügen. Mit Rücksicht auf die beim
Bundestage bevorstehenden Verhandlungen dürfte Ihr Auf-
enthalt hierselbst nicht von langer Dauer sein können.“
Bei Besprechung des Vertrages vom 20. April schlug ich
dem Könige vor, diese Gelegenheit zu benutzen, um uns und
die preußische Politik aus der secundären und, wie mir schien,
unwürdigen Lage herauszuheben und eine Stellung einzunehmen,
welche uns die Sympathie und die Leitung der deutschen
Staaten gewonnen hätte, die mit uns und durch uns in un-
abhängiger Neutralität zu verbleiben wünschten. Ich hielte
dies für erreichbar, wenn wir, sobald Oestreich die Truppen-
aufstellung verlangte, freundlich und bereitwillig darauf ein-
gingen, aber die Aufstellung der 66000 und factisch mehr
Mann nicht bei Lissa, sondern in Oberschlesien machten, so daß
unfre Truppen in der Lage seien, die russische oder die östreichische
Grenze mit gleicher Leichtigkeit zu überschreiten, namentlich
wenn wir uns nicht genirten, die Ziffer 100000 uneingestanden
zu überschreiten. Mit 200000 Mann würde Se. Mojestät in
diesem Augenblick Herr der gesammten europäischen Situation
1) Nach dem Original veröffentlicht im Anhang zu den Gedanken
und Erinnerungen II 170.
2) Briefe des Generals Leopold v. Gerlach an Otto v. Bismarck.
S. 93.