Großbritannien. (Juni 10.—Juli 1.) 197
10. Juni. (London.) Chamberlain über die Handelsver-
einigung zwischen Kolonien und Mutterland.
Bei einem Bankett der Delegierten der britischen Handelskammern
sagt der Kolonialminister Chamberlain: Der Handel des britischen
Reiches lasse die Wichtigkeit des Handels an sich klar hervortreten, ohne
welchen das Reich nicht einen Tag bestehen könne. Die Zukunft wird nicht
allein von der Bevölkerung dieser kleinen Insel abhängen, sondern auch
besonders von der des überseeischen Britanniens. Er lege den Kolonien
ans Herz, die Bande mit dem Mutterlande immer enger zu knüpfen. Ein
einiges Reich empfehle sich nicht nur aus Gefühlsrücksichten, sondern auch
aus gemeinsamen Interessen. Es sei Pflicht der Staatsmänner in England
und in den Kolonien, eine dauernde Vereinigung zu sichern (vgl. S. 188).
11. Juni. (Unterhaus.) Erklärung über die kretische Frage
und das italienische Grünbuch.
Bonk befragt die Regierung, ob sie, um die Wiederholung einer
Niedermetzelung von Christen durch türkische Soldaten auf Kreta zu verhindern,
in Uebereinstimmung mit den übrigen Mächten der Pforte die Abtretung
Kretas an Griechenland gegen eine Entschädigung und einen jährlichen
Tribut empfehlen wolle. Parlamentsunterstaatssekretär Curzon: Es sei
kein derartiger Vorschlag der englischen Regierung gemacht worden und
auch diese habe nicht die Absicht, selbst einen solchen Vorschlag zu machen.
Ferner erklärt Curzon, es seien der italienischen Regierung über die Ver-
öffentlichung der Depeschen im Grünbuch ohne vorherige Zustimmung der
englischen Regierung freundliche Vorstellungen gemacht worden; die italie-
nische Regierung habe geantwortet, die Veröffentlichung sei unter ausnahms-
weisen Umständen erfolgt.
22. Juni. Die Regierung zieht ihre Vorlage über die Schul-
reform zurück (vgl. Brandi, Preuß. Jahrb. 84, 2).
30. Juni. Das Unterhaus nimmt mit großer Majorität
die Vorlage zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitern
und Arbeitgebern an.
1. Juli. Ende eines großen Strikes der Schiffsbauarbeiter.
Die Arbeitgeber bewilligen eine Lohnerhöhung gegen das Versprechen
der Arbeiter, keinen Streik ohne vorherige sechstägige Kündigung zu be-
ginnen. Ein Zurücktreten von dem Vergleiche ist erst nach einer Kündigung
von sechs Monaten gestattet.
1. Juli. Das Unterhaus genehmigt mit 292 gegen 140
Stimmen in dritter Lesung die Bill, betr. die landwirtschaftlichen
Bodenabgaben.
Nach diesem Gesetze sollen, um der Notlage der Pächter abzuhelfen,
von den Gemeindesteuern für die ländlichen Bezirke 50 v. H. auf die allge-
meine Staatskasse übernommen werden, und zu diesem Zwecke zunächst auf
fünf Jahre eine Summe von 1½ bis 2 Millionen Pfund flüssig gemacht
werden. Diese soll dem allgemeinen Uberschuß der Einnahmen über die
Ausgaben entnommen werden, als besondere Quelle hierfür hat aber der
bepsatnnler die in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Erbschaftssteuern
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