114 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. Ende—Okt. Anf.)
der Spitze vertreten, aber das ist vorbei. Nachdem der „alte Bund“ zerstört
war, mußten die deutschen Kräfte wieder in anderer Weise gesammelt werden.
Das geschah durch das neue deutsche Reich, an welchem wir festhalten, weil
es eine politische Notwendigkeit ist, weil es sich gründet auf Verträge, die
wir Bayern eingegangen und in Treue halten müssen, und weil es endlich
die Existenz Oesterreichs verbürgt.
Ende Sept. Auf einen dem des „Fränkischen Volksblatts“
analogen, dem „Osservatore Romano“ günstigen Artikel der ultra-
montanen Bonner „Reichszeitung“ erwidert die „Germania“:
„Es fehlt da an deutscher Gesinnung, wo man angebliche Hinneigung
des Papstes zu Frankreich mit solchem Eifer konstatiert und mit solcher Ge-
lassenheit erträgt. Es fehlt an deutscher Gesinnung, wo man, wie es gleich
im ersten Artikel der „Reichszeitung“ geschah, von uns aber bisher schonend
übergangen wurde, in tendenziöser Einseitigkeit Gründe zusammenstellt, die
Italien, den Bundesgenossen Deutschlands, zum Bündnisse mit Frankreich
führen müßten, während man die hochwichtigen Gründe, welche Italien
wegen der Mittelmeer= und Orientfrage zum Gegner Frankreichs und Ruß-
lands machen, übergellt. Es fehlt an deutscher Gesinnung, wo man den
Dreibund in dieser Weise, wie in der letzten Nummer der „Reichszeitung"“,
mit der römischen Frage verstrickt, während dieselbe ohne und mit Dreibund
doch genau auf demselben Flecke stände, und während, als Italien in den
Zweibund eintrat, keine Macht der Welt in irgendeiner Weise die italienische
Herrschaft in Rom bedrohte, dagegen unmittelbar vorher Frankreich Tunis
weggenommen hatte und Rußland fort und fort den Orient bedrohte und
somit doch klar genug war, weshalb Italien den Zweibund durch seinen
Zutritt zum Dreibund machte."
3. Oktober. (Trier.) Schluß der Ausstellung des heiligen
Rockes. Die Gesamtzahl der Pilger beträgt etwa 1,900,000 gegen
1,100,000 im Jahre 1844.
Anfang Oktober. (Straßburg.) Der elsässische Reichstags-
abgeordnete Dr. Petri wird von einem französischen Journalisten
gefragt, wie es sich mit der Stimmung in Elsaß-Lothringen
verhalte. In seiner Antwort äußert er unter anderm:
„Die unlösbare Verbindung Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen
Reiche ist eine geschichtliche Thatsache, von der man nur wünschen muß,
daß von keiner Seite mehr daran gerüttelt werde. Nur unter dieser Be-
dingung ist Europa der Fortdauer des Friedens sicher und der Waffenrüstung
ledig, welche es zu erdrücken droht. Man täuscht sich häufig in Frankreich
über die Stimmung, welche hier in Elsaß-Lothringen herrscht. Gewiß gibt
es unter uns noch Leute, welche ihren Blick mehr auf die Vergangenheit als
auf die Gegenwart richten und sich nicht dazu entscheiden können, die poli-
tische Lage anzuerkennen, welche wir haben. Es ist dies eine Gesinnung,
welcher man die Achtung nicht versagen darf, und welche, unter manchen
Verhältnissen, sehr begreiflich ist. Aber selbst unter denjenigen Leuten, welche
so denken, gibt es nur sehr wenige, welche einen politischen Wechsel mit allen
seinen Wirkungen ersehnen würden. Denn jeder, der sich nicht geflissentlich
selbst täuscht, ist überzeugt davon, daß eine Veränderung der politischen
Karte Elsaß-Lothringens nur im Gefolge eines blutigen Krieges bewirkt
werden könnte, dessen Schauplatz wiederum Elsaß-Lothringen sein würde.