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VBiertes Kapitel.
Von der Vernehmung der Zeugen.
Art. 194.
Auf Erfordern des Richters ist Jeder im Staate, mit Ausnahme der im nächstfolgenden
Artikel bezeichneten Personen, schuldig, sich als Zeuge vernehmen zu lassen.
Art. 195.
Von der Verbindlichkeit zu Ablegung eines Zeugnisses sind befreit:
1) die Verwandten des Verdächtigen in auf= und absteigender Linie, dessen Ehegatte,
Geschwister, Verschwägerte bis zum zweiten Grade nach bürgerlicher Berechnung,
Vormund, Mündel, Pflegeeltern und Pflegekinder;
2) Geistliche in Beziehung auf dasjenige, was ihnen in der Beichte oder sonst unter
dem Siegel der Amtsverschwiegenheit als Seelsorgern eröffnet worden ist;
3) Vertheidiger hinsichtlich vessen, was ihnen in dieser Eigenschaft von dem Angeschul-
digten über seine eigene Verschuldung vertraut wird, wofern nicht der Fall des
Art. 94. Abs. 2. des Strafgesetzbuches eintritt.
Art. 196.
Die im Art. 195. Ziffer 1. genannten Personen können zwar, ihrer Verhältnisse zu dem
Verdächtigen ungeachtet, vom Untersuchungs-Richter vorgefordert werden, um allenfalls ihr
Zeugniß zu vernehmen; es muß aber denselben ihre Befugniß, sich des Zeugnisses zu ent-
schlagen, bekannt gemacht, und, was sie hierauf erklären, im Protokoll bemerkt werden.
Art. 197.
Jeder Zeuge ist vor dem Richter zu erscheinen verbunden.
Doch sind in ihren Wohnungen zu vernehmen:
1) viejenigen, welche wegen Alters, Krankheit oder Gebrechlichkeit vor Gericht zu er-
scheinen verhindert sind;
2) die Mitglieder des Königlichen Hauses;
5) auf ihr Verlangen die Häupter der standesherrlichen Familien.
Art. 198.
Steht der Zeuge nicht unter der Gerichtsbarkeit des untersuchenden Richters und ist die
Stellung vesselben zum Verhör wegen gesetzmäßiger Hindernisse nicht thunlich; so soll der