1862 Nachspiel des kurhessischen Streits. 463
tigem Groll, berief die Minister und die Stände zu neuer
Thätigkeit, und für eine Weile trat Kurhessen in die Reihe
der normal verwalteten und verfassungsmäßig regierten
Staaten zurück.
In ungleich umfassenderer Weise gab der Wiener Antrag
auf Berufung einer Delegirtenversammlung zum Bundestag
dem preußischen Minister Anlaß zur Bezeichnung seiner
Stellung in der deutschen Frage.
Eine bestimmte Entschließung über die Art und Form
der für die Zukunft anzustrebenden deutschen Verfassung hatte
Bismarck damals schwerlich schon gefaßt. Fest stand ihm die
Thatsache, daß die jetzige Stellung Preußens im deutschen
Bunde unerträglich sei, daß sie, wie er einst dem Minister
von Schleinitz geschrieben, im Nothfall ferro et igni geheilt
werden müsse. Und nicht minder gewiß war die weitere That-
sache, daß für die Entscheidung der Frage Alles auf die realen
Mächte in Deutschland, auf das Verhältniß zwischen Osterreich
und Preußen ankam. Eine friedliche Umgestaltung desselben
hielt Bismarck für äußerst unwahrscheinlich: jeder andere Krieg,
sagte er wohl, welchen Preußen vor diesem österreichischen
führte, wäre die reine Munitionsvergeudung. Er war bereit,
in den Kampf einzutreten, verkannte aber die Gefahren des-
selben nicht, und hätte, wenn sich ein Einvernehmen möglich
zeigte, ein solches Friedenswerk gerne begrüßt. In voller
Klarheit lagen die verschiedenen, in Krieg oder Frieden denk-
baren Systeme vor seinem unvergleichlich scharfen und weiten
Blick; gemeinsame Beherrschung Deutschlands durch die beiden
Großmächte, oder Theilung Deutschlands unter dieselben nach
der Mainlinie, oder gänzlicher Ausschluß Österreichs aus
Deutschland, und in diesem letzten Falle wieder die mehr