Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1868. (45)

— 30.6. — 
Art. 90. 
Ist namhafter Verdacht vorhanden, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte 
strafbare Handlung begangen habe, so kann die Haft verhängt werden: 
1) wenn der Gegenstand der Beschuldigung ein mit Arbeitshaus oder höherer Strafe 
bedrohtes Verbrechen ist; 
2) wegen Gefahr der Flucht, wohin auch die Verheimlichung des Aufenthalts zu 
rechnen ist, 
a) wenn der Beschuldigte unbekannt ist oder eines festen Aufenthalts entbehrt 
und darüber, daß er sich jederzeit vor Gericht stellen werde, ein gegründeter 
Zweifel besteht, 
b) wenn derselbe wegen getroffener Anstalten zur Flucht oder aus anderen 
Gründen sich der Flucht verdächtig gemacht hat; 
3) wenn nach Lage der Sache und in Betracht der persönlichen Verhältnisse des 
Beschuldigten gegründete Besorgniß obwaltet, daß derselbe die Untersuchung durch 
Beseitigung der Spuren der That oder durch Verabredung mit Mitschuldigen 
oder Zeugen vereiteln oder erschweren werde. 
Es ist jedoch zunächst zu erwägen, ob nicht schon von dem Haus oder Ortsarrest, 
der Beschlagnahme der Pässe oder sonstigen Ausweise oder von der Versetzung unter 
besondere polizeiliche Aufsicht die Erreichung des Zwecks sich erwarten lasse, und ob nicht 
den Beschuldigten schon durch die Haft ein mit der angezeigten Verschuldung im Miß- 
verhältniß stehendes Uebel treffe. 
Auch muß die blos wegen der im Absatz 1 Ziff. 3 bezeichneten Besorgniß verhängte 
Haft, sobald jene nach der Sachlage sich nicht mehr geltend machen kann, unverzüglich 
aufgehoben werden. 
Bei Uebertretungen, für welche nach den Umständen des einzelnen Falls bloß Be- 
zirksgefängniß oder Geldbuße verwirkt wäre, soll die Haft nur unter den Voraussetzungen 
des Abs. 1 Ziff. 2 eintreten. 
Art. 91. 
Ob bei der Versetzung eines Beschuldigten in den Anklagestand oder bei seiner Ver- 
weisung vor die Strafkammer ein Haftbefehl zu erlassen oder der zuvor erlassene zu 
bestätigen sei, hängt von dem Ermessen der Raths= und Anklagekammer, beziehungsweise 
des Untersuchungsrichters ab.
	        
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