Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 14.) 213
Bundesralh und den Reichstag in jedem Jahr zu berufen, deun die übrigen
gesetgekerüfchn Arbeiten sind nicht der Art, daß die alljährliche Berufung
eider Versammlungen als ausnahmslose Regel festzuhalten wäre. enn
die Etatsfeststellung für je zwei Jahre erfolgt, so empfiehlt es sich nichl,
eine Legislalurperiode des Reichstags von dreijähriger Dauer beizubehalln,
da sonst der Reichstag abwechselnd in der einen Periode zweimal, in der
anderen aber nur einmal zu einer ordentlichen Session und zur Etatsbera-
thung gelangte. Dafür bestimmt die neue Fassung des Art. 24 eine Dauer
der Legislaturperiode von vier Jahren. Die Treunung der beiden Etats für
die zwei Jahre (Art. 69) empfiehlt sich, weil dieser Modus sich von dem
bisherigen Rechte weniger entfernt und eine leichtere Uebersicht der Etats-
verhältuisse gewährt, und endlich kann die Rechnungslegung (Art. 72) selbfl-
versländlich nicht mehr jährlich erfolgen, wenn die Bernfung des Reichstags
nicht mehr jährlich nothwendig ist, sondern nur in den Jahren des Zu-
sammentritts.
14. Juli. (Deutsches Reich u. Preußen.) Der Kaiser ernennt
den preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten v. Maybach zugleich
auch zum Chef des Reichsamts für die Verwaltung der Reichseisen-
bahnen, den Reichskanzleramtspräsidenten v. Hofmann zugleich auch
zum preuß. Minister für Handel und Gewerbe, ferner den bisherigen
Oberpräsidenten von Schlesien v. Puttkamer zum preußischen Cult-
minister und endlich den Rittergutsbesitzer Dr. Lucius zum preußi-
schen Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten. Fast
gleichzeitig wird der Geh. Rath Scholz zum Unterstaatsseeretär des
Reichsschatzamts und Geh. Rath Burchard zum Director in dem-
selben ernannt und das ganze neue Reichsschatzamt dem Reichs-
kanzler direct unterstellt. Der bisherige Präsident der bisherigen
Finanzabtheilung des Reichskanzleramts Michaelis wird zum Prä-
sidenten des Reichs-Invalidenfonds ernannt.
Mit diesen Ernennungen ist eine schon in den letzten Jahren begonnene
Umformung des Reichsverwaltungs-Organismus vorerst vollendet und scheidet
mit Michaelis nicht nur der einzige noch übrige Repräsentant der älteren Epoche
der Bismarck'schen Reichspolitik aus der Reichsverwaltung aus, sondern es ist
auch der letzte Stein aus der im J. 1867 von Bismarck constituirten Bundes-
und spateren Reichsverwaltung entfernt, und es lohnt wohl der Mühe, diese
Wandlungen zu übersehen. Der ursprüngliche Grundgedanke, den Bismarck
für die Reichsverwaltung wählte, war entschieden unitarisch. Unter seiner
obersten unmittelbaren Leitung sollte die gesammte Reichsverwaltung in ihren
verschiedenen Abtheilungen stehen, die innere, wieder in Einer starken Hand
vereinigt, unter dem Präsidenten des Reichskanzleramtes, wofür Delbrück der
rechte Mann war, die äußere unter des Kanzlers unmittelbarer Leitung als
Auswärtiges Amt. Unter der obersten Verantwortlichkeit des Reichskauzlers
and — wir nehmen elwa das Jahr 1873 zum Ausgang — die Admira-
lität, die Reichsschulden-Verwaltung, der Invalidenfonds; ein Jahr später
auch das neue Reichs-Eisenbahnamt, welches der erste Schritt zur Zersetzung
des Reichskanzleramtes war. Dieses hatte noch 1874 folgenden bedeutenden
Wirkungskreis: es bestand aus der Centralabtheilung mit Eck als Director
und Michaelis als erstem Rath; derselben unterstand die ganze allgemeine