Türkei. (September 4. November.) 277
höheren Beamten ernennt der Sultan. 5. Zwei Drittel der Offiziersstellen
sind durch Christen, ein Drittel ist durch Mohamedaner zu besetzen. 6. Die
Wahl zu dem Landtage erfolgt in jedem zweiten Jahre, und mindestens in
jedem zweiten Jahre findet eine Session statt, deren Dauer 40—80 Tage
beträgt. Der Landtag votiert das Budget und prüft die Rechnungen und
Vorlagen des Generalgouverneurs. Aenderungen der Verfassung bedürfen
einer Zweidrittel-Majorität. Kein neues Gesetz kann, ohne vom Landtag
votiert zu sein, zur Anwendung gebracht werden. 7. Auf Erhöhung des
Budgets abzielende Vorlagen sind ohne Einführung durch den General-
gouverneur, den administrativen Rat und die zuständigen Behörden nicht
diskutierbar. 8. Die laut Ferman vom Jahre 1887 vorgesehene Verwendung
der Hälfte der Zolleinnahmen für die Insel tritt in Kraft. Die Pforte
übernimmt die Fehlbeträge in den Budgets, welchen der Landtag nicht zu-
gestimmt hat. 9. Die Reorganisation der Gendarmerie wird durch eine Kom-
mission, der auch europäische Offiziere angehören sollen, durchgeführt werden.
10. Die Reorganisation der Justiz erfolgt durch eine Kommission, an welcher
auch fremde Juristen teilnehmen. 11. Der Generalgouverneur bewilligt
nach dem Gesetz die Veröffentlichung von Büchern und Zeitungen. sowie
die Gründung von Druckereien und wissenschaftlichen Vereinen. 12. Afrikanische
Emigranten können nur mit der Erlaubnis des Generalgouverneurs auf
der Insel Aufenthalt nehmen. Der Generalgouverneur kann unbeschadet
der Rechte, welche den fremden Unterthanen zustehen, subfistenzlose und für
die öffentliche Sicherheit gefährliche Individuen ausweisen. 13. Der Land-
tag wird sechs Monate nach der Sanktionierung dieser Zugeständnisse zu-
sammentreten. Die Wahlen find nach dem Gesetz vom Jahre 1888 durch-
zuführen. Inzwischen wird der Generalgouverneur im Einvernehmen mit
dem administrativen Rate die provisorischen Befehle zur Durchführung der
vorstehenden Bestimmungen erlassen. 14. Die Mächte versichern sich der
Durchführung dieser Zugeständnisse. — Bei den Mohamedanern stoßen diese
Konzessionen an die Christen auf Widerspruch.
4. September. (Konstantinopel.) Die Botschafter über-
reichen der Pforte zwei Kollektivnoten.
Die erste nimmt Kenntnis von den Maßregeln zur Verhütung von
neuen Metzeleien mit der Erklärung, den Erfolg abwarten zu wollen, und
macht einige Vorbehalte bezüglich der Verfolgung von Armeniern in euro-
päischen Häusern. In der zweiten Note werden auf sichere Anzeichen und
Beweise gestützte Vermutungen ausgesprochen, daß das unter den Armeniern
angerichtete Blutbad vorbereitet und organisiert gewesen sei.
Mitte September. (Karput.) Neue Unruhen, wobei mehrere
Hundert Armenier getötet sein sollen.
Oktober. Die Pforte und die kleineren Mächte.
Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Spanien,
Holland und Griechenland verlangen, je ein Stationsschiff nach Konstantinopel
zu schicken. Die Pforte lehnt es ab mit der Begründung, daß dieses Recht
nur den Signatarmächten zustehe. (7. Okt.) Ebenso weist sie das Verlangen
derselben Staaten, dieselben Mitteilungen wie die Großmächte zu erhalten,
mit der Motivierung zurück, daß die Zahl ihrer Unterthanen in der Türkei
zu gering sei. (Mitte Okt.)
November. (Konstantinopel.) Die Pforte und Frankreich.
Reformversprechen (vgl. S. 227).