Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1899. (76)

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einschreitung keinen Aufschub erleidet, muß das Gutachten des Hausarztes sobald als thunlich nach- 
träglich während des Strafvollzugs eingeholt werden. 
S. 76. 
Die Gefangenen können zwar gegen die von dem Vorstand ihnen zuerkannten Strafen, wie 
gegen dessen Verfügungen überhaupt, nach Maßgabe des §. 24 bei dem Strafanstaltenkollegium sich 
beschweren und es steht den Gefangenen gegen dessen Entscheidungen, wie auch gegen eine von dem 
Strafanstaltenkollegium erlassene Strafverfügung die Beschwerde an das Justizministerium zu. Die 
Erhebung einer Beschwerde hält jedoch den Strafvollzug nicht auf. 
Hat ein Gefangener nach dem Ablauf seiner Strafzeit noch eine disciplinarische Freiheitsstrafe 
zu erstehen, so wird diese in dem Arrestlokale der Strafanstalt vollzogen. 
Jede erkannte Disciplinarstrafe wird unter kurzer Angabe des Thatbestands in den Personal- 
akten des Gefangenen vermerkt. 
S. 77. 
Den anderen Beamten und den Officianten der Strafanstalt steht keinerlei Strafbefugniß zu. 
Jedoch ist der Hausmeister und der Oberausseher befugt, in Fällen, welche eine augenblickliche Ein- 
schreitung erfordern, die Abführung des Uebertreters in ein Arrestlokal vorläufig anzuordnen, wovon 
aber dem Vorstand zu weiterer Verfügung unverzüglich Anzeige zu erstatten ist. 
8. 78. 
Gefangene, welche sich durch ihr Verhalten in der Strafanstalt vortheilhaft auszeichnen, können 
besondere Aufmunterungen und Belohnungen erhalten. 
Dieselben bestehen in: 
1. Vorrückung in eine höhere Sittenklasse, womit Erweiterung der Erlaubniß zur Anschaffung 
von Extra-Gen#ußmitteln verbunden ist, 
Erweiterung der Erlaubniß zum Empfang von Besuchen und zur Absendung von Briefen, 
Verwendung zu angenehmeren oder lohnenderen Arbeiten, 
höherer Verechnung des Nebenverdienstes innerhalb des bestimmten Rahmens. 
Ein Gefangener, welcher drei Viertheile, mindestens aber ein Jahr der ihm arferlegten 
Strafe verbüßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt hat, kann mit seiner Zustim- 
mung vorläufig nach Maßgabe der §§. 23—26 des Strafgesetzbuchs entlassen werden. Die 
vorläufige Entlassung, deren Bewilligung dem Justizministerium zusteht, kann von dem 
Strafanstaltsvorstand nach Berathung in der Konferenz oder von dem Strafanstaltenkollegium, 
jedoch auch beim Zutreffen der anderen Voraussetzungen nur dann beantragt werden, wenn 
der Gefangene sich während der Strafzeit so gut geführt hat, daß eine eingetretene Besser- 
ung desselben angenommen und ihm in Bezug auf sein künftiges Verhalten Vertrauen 
geschenkt werden kann, wobei außer dem Gesammtverhalten des Gefangenen während der 
Erstehung der Strafe sein Vorleben und seine ganze Persönlichkeit in Betracht kommt 
(Verfügung der Ministerien der Justiz und des Innern vom 19. Januar 1872, Reg.Blatt 
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