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Wenn aber der Gefangene mit einer Anfrage, Bitte oder Beschwerde an den Vorstand sich
wenden will, so hat er seinen Wunsch dem betreffenden Aufseher kund zu geben, welcher die Anmel-
dung bei Strafe zu besorgen hat. Von dem Vorstand ist der Gefangene, wo nicht an demselben, so
doch am nächsten Tage zu vernehmen. Nur in besonders dringenden Fällen ist die Meldung dem
Vorstand sogleich, außer der für den Rapport bestimmten Zeit, zu erstatten.
Wünscht ein Gefangener seine Beschwerde schriftlich einzureichen, so sind ihm die Mittel hiezu
unter Beobachtung der nöthigen Vorsichtsmaßregeln zu gewähren.
Ist die von dem Gefangenen erhobene Beschwerde gegen den Anstaltsvorstand selbst gerichtet,
so hat dieser hierüber sobald als thunlich, spätestens aber bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe
binnen einer Woche der Aufsichtsbehörde, zutreffendenfalls unter Anschluß der Beschwerdeeingabe
Bericht zu erstatten.
Anläßlich der von der Aufsichtsbehörde oder einem Beauftragten derselben mindestens alle
zwei Jahre vorzunehmenden Besichtigung der Anstalt ist den Gefangenen Gelegenheit zu geben, et-
waige Bitten, Anliegen oder Beschwerden den Visitatoren vorzutragen.
g8. 24.
Zulässig sind Beschwerden der Gefangenen an die Aufsichtsbehörde über die Art der Straf-
vollstreckung — soweit nicht gemäß §. 490 der Strafprozeßordnung richterliche Entscheidung herbeizuführen
ist, — über ungesetzliche, dienst= oder hausordnumgswidrige Behandlung, sowie über die Verhängung
von Disciplinarstrafen.
Ueber solche Beschwerden hat das Strafanstaltenkollegium zu entscheiden. Beschwerden, welche
später als nach Ablauf einer Woche seit dem als beschwerend bezeichneten Vorgang angemeldet wer-
den, haben auf Berücksichtigung keinen Anspruch. Gemeinsame Beschwerden mehrerer Gefangenen
sind unzulässig. Den Beschwerden der Gefangenen kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
Gegen die Entscheidung des Strafanstaltenkollegiums können die Gefangenen binnen einer
Woche von der Eröffnung an weitere Beschwerde an das Justizministerium erheben.
S. 25.
Zu Eingaben an höhere Behörden, welche die Gefangenen selbst verfassen oder durch hiezu be-
sugte Personen, nicht aber durch Mitgefangene fertigen lassen können, ist jedesmal die Erlaubniß
des Strafanstaltsvorstands einzuholen, welche übrigens ohne triftige Gründe nicht verweigert wer-
den darf.
Eingaben an die Gerichte, die Staatsanwaltschaft und an die Aufsichtsbehörde werden nicht
zurückgehalten. Eingaben an andere Behörden werden zurückgehalten, wenn sie beleidigenden oder
sonst strafbaren Inhalts sind. Wird eine Eingabe zurückgehalten, so wird dem Gefangenen hievon
unter Angabe des Grundes Kenntniß gegeben.
Mit Ausnahme der Eingaben an die Justizbehörden und der durch diese weiter zu befördern-
den Begnadigungsgesuche sind alle an höhere Stellen gerichtete Eingaben dem Strafanstaltenkollegium
zu weitcrer Einleitung vorzulegen.