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fangenen zuzuwenden ist. An der Seelsorge nehmen jedenfalls die im schulpflichtigen Alter stehenden
Gefangenen Theil. Im Uebrigen ist die Theilnahme an der Seelsorge eine freiwillige. Hinsicht-
lich der Ausübung der Seelsorge gegenüber sämmtlichen Untersuchungsgefangenen steht dem Nichter
die Befugniß zu, die durch den Zweck der Untersuchungshaft gebotenen Beschränkungen zu verfügen.
Die gleiche Befugniß hat der Gefängnißvorstand allgemein, soweit es die Ordnung im Ge-
sängniß erfordert.
§. 113.
Laut Zusage des evangelischen Konsistoriums, des bischöflichen Ordinariats und der israelitischen
Oberkirchenbehörde wird die nach Thunlichkeit für die Gefangenen einzurichtende regelmäßige Seel-
sorge eine unentgeltliche sein.
Den Gefängnißvorständen werden die Namen der hiezu berufenen Geistlichen Seitens der kirch-
lichen Behörden mitgetheilt werden. Ist der hienach bezeichnete Gefängnißgeistliche nicht zugleich
der Geistliche des Wohnorts des Gefangenen und wünscht der letztere Geistliche den Gefangenen zu
besuchen, so ist dieser Wunsch durch Vermittelung des Gefängnißgeistlichen an den Gefängnißvorstand
zu bringen.
8. 114.
Unter den Fällen der ausnahmsweisen Berufung eines Geistlichen von auswärts auf Kosten
der Staatskasse kommt auch die Bitte eines katholischen Gefangenen dann in Betracht, wenn der-
selbe die ganze Zeit, während welcher er die österliche Pflicht zu erfüllen hat, in dem amtsgericht-
lichen Gefängniß sich in Haft befindet, und wenn während dieser ganzen Zeit eine ordentliche Seel-
sorge in dem Gefängniß nicht stattfinden kann.
Die Kosten der ausnahmsweisen Berufung eines Geistlichen von auswärts sind unter den „all-
gemeinen Kriminalkosten“ zu verrechnen.
S. 115.
Die regelmäßige Seelsorge besteht in Besuchen der Geistlichen bei den Gefangenen ihrer
Konfession.
Es wird sich empfehlen, wenn der Gefängnißvorstand zu diesem Behufe im Voraus mit dem
betreffenden Geistlichen einen bestimmten Tag der Woche 2c. vereinbart.
Dem Geistlichen ist auf sein Verlangen die Liste der Strafgefangenen sowie der Untersuchungs-
hefangenen vorzulegen. Er wird die noch im schulpflichtigen Alter stehenden Gefangenen sowie die-
jenigen übrigen Gefangenen, welche seinen Besuch nicht ablehnen, in ihrem Haftlokale oder, —
wenn sie in Gemeinschaft verwahrt sind und das Bedürfniß einer Unterredung unter vier Augen
besteht, — in einem besonderen hiezu zur Verfügung zu stellenden Lokale des Gefängnisses besuchen.
Eine Anwesenheit des Gefängnißaufsehers oder der Gefängnißaufseherin bei dem Besuche selbst
sindet nur statt, wenn der Gefängnißvorstand und beziehungsweise bei Untersuchungsgefangenen der
Nichter solches anordnet oder der Geistliche selbst einen bezüglichen Wunsch äußert.
Ein etwaiges ungebührliches Betragen eines Gefangenen ist von dem Geistlichen dem Ge-
fängnißvorstand behufs Einleitung des Weiteren anzuzeigen.