130 Nas Nenische Reich und seine einzelnen Glieder. (November 20.)
den Einkommen zu verhelfen. Die Durchführung der Gehaltsaufbesserung
bei den richterlichen Beamten macht eine Aenderung der bisherigen Grund-
sätze für die Regelung der Richtergehälter notwendig. Eine Vorlage hier-
über wird Ihnen demnächst unterbreitet werden. Der nach der bisherigen
Entwickelung als dauernd anzusehende Stand des landesüblichen Zinsfußes
läßt nunmehr eine mäßige Herabsetzung des Zinssatzes der vierprozentigen
Staatsschuld als berechtigt und geboten erscheinen. Es wird Ihnen daher
unverzüglich ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, welcher diese Maßregel
mit jeder zulässigen Rücksichtnahme auf die Interessen der Staatsgläubiger
durchzuführen bestimmt ist. Behufs größerer Sicherung einer regelmäßigen
Tilgung der Staatsschulden und um die Erschütterungen des Staatshaus-
halts infolge schwankender Ergebnisse der Betriebsverwaltungen zu ver-
mindern, wird Ihre Zustimmung dazu erbeten werden, daß ohne höhere
Belastung des Etats ein Mindestbetrag der jährlichen Schuldentilgung ge-
setzlich festgestellt und zugleich aus den rechnungsmäßigen Ueberschüssen gün-
stiger Jahre ein Ausgleichsfonds zur Deckung von Fehlbeträgen bei minder
günstigen Rechnungsabschlüssen gebildet wird. Auf dem Gebiete des Eisen-
bahnwesens wird ihre Mitwirkung mehrfach in Anspruch genommen werden.
Außer der den Ausbau neuer Bahnlinien bezweckenden Vorlage wird Sie
der Erwerb des Hessischen Ludwigs-Eisenbahnunternehmens für den Preußi-
schen und Hessischen Staat, sowie die Bildung einer Eisenbahn-Betriebs-
und Finanzgemeinschaft zwischen Preußen und Hessen beschäftigen. Zur
Hebung und Förderung der Landwirtschaft, welcher die Regierung Seiner
Majestät fortgesetzt besondere Fürsorge zuwendet, sind wiederum erhöhte
Mittel in den Staatshaushalts-Etat eingestellt worden. Das Gesetz über
die Errichtung von Handelskammern bedarf verschiedener Aenderungen, um
einzelne seiner Vorschriften mit den Bestimmungen neuerer Gesetze in Ein-
klang zu bringen und die geschäftlichen Aufgaben der Handelskammern zu
erleichtern. Ein Gesetzentwurf, der diese Aenderungen herbeiführen soll, ist
vorbereitet. Um die nachteilige Vielgestaltigkeit der zum Teil auch ver-
alteten Gemeindeverfassungsgesetze in der Provinz Hessen-Nassau zu be-
seitigen und an deren Stelle ein einheitliches Gemeindeverfassungsrecht zu
setzen, werden Sie mit der Beratung einer Städteordnung und einer Land-
gemeindeordnung für diese Provinz befaßt werden. Gleichzeitig sollen die
Verhältnisse der im Dienste der Gemeinden und öffentlichen Anstalten des
Regierungsbezirks Wiesbaden stehenden Forstschutzbeamten gesetzlich geregelt
werden. Eine Vorlage wegen Abänderung der in Preußen geltenden Vor-
schriften über das Vereinswesen wird nach Abschluß der stattfindenden Er-
örterungen zu Ihrer Beschlußfassung gelangen. Meine Herren! Die Regie-
rung Seiner Mojestät rechnet bei der Erledigung der vorbezeichneten um-
fangreichen Aufgaben auf Ihre bereitwillige Mitwirkung; sie hofft zuver-
sichtlich, daß die gemeinsame Arbeit auch in der bevorstehenden Tagung
mit Gottes Hilfe dem Vaterlande zum Segen gereichen wird. Auf Befehl
Seiner Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich den Landtag der
Monarchie für eröffnet."“
20./28. November. (Reichstag.) Zweite Beratung der
Justiznovelle.
Am 20. werden gegen die Stimmen der Konservativen, National=
liberalen und eines Teils des Zentrums einige freisinnige Anträge ange-
nommen, wonach Verleger, Redakteure, Setzer u. s. w. vom Zeugniszwang
befreit sind. — Am 21. November wird der Antrag Schmidt-Warburg
(Z.) angenommen, wonach der Geistliche vor Gericht nichts über Beicht-
geheimnisse auszusagen braucht. Die zweite Beratung wird fortgesetzt bis