76 Die Dresdener Conferenzen. 1851
Stimmen, je zwei für jede der Großmächte; die übrigen fünf
wurden in den Anträgen der preußischen Seite unter sämmt-
liche, von jenen der österreichischen unter die größern Staaten
in mannigfaltigen Combinationen vertheilt. Man stritt hin
und her; jeder der Vorschläge fand seine Anhänger und
Gegner; man erhitzte und spaltete sich nach allen Richtungen;
an eine Beschlußfassung war nicht zu denken.
Graf Alvensleben war ein fester und ruhiger Mann,
durch und durch monarchisch gesinnt und ein preußischer
Patriot echtes Schlags, dabei gewiegt in den Geschäften,
umsichtig nach jeder Seite, weit vorausrechnend auf jede
Möglichkeit. Diese erste Probe reichte aus, sein Urtheil
über die Lage festzustellen. Das rücksichtslos begehrliche Auf-
treten des Fürsten Schwarzenberg hatte binnen 48 Stunden
einen völligen Umschwung der Gemüther zu Stande gebracht.
Die bisherigen Gegner des alten Bundestags, die kleinen
Unionsstaaten, hatten mit dem Siege der österreichischen
Reform ihre völlige Niederdrückung vor Augen; damit war
ihre bereits keimende Sehnsucht nach einfacher Rückkehr zum
alten Bundestag in volle Blüthe getreten. Alvensleben theilte
ganz und gar ihre Meinung, und ergriff damit ihre fast
unbedingte Leitung für die ganze Dauer der Conferenz. Er
fand den preußischen Reformplan hoffnungslos, und erkannte
in den österreichischen Bestrebungen eine tödtliche Gefahr für
Preußens historische Machtstellung. Demnach berichtete er
nach Berlin über die Stimmung der Kleinstaaten, und erhielt
den Beifall des Ministers für seine Ansicht, daß Preußen
keinen Grund mehr habe, einem Vorschlag auf Übertragung
der Executive an den engern Rath der alten Bundesverfassung
entgegen zu treten.