Object: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1901. (78)

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In Bayern und Württemberg sind alle 
polizeilichen Rechte der Standesherren beseitigt 
worden. In Baden und in Hessen kommen 
ihnen wie den Grundherren das Recht zur Aus- 
übung der Ortspolizei im Bereich ihrer Schlösser, 
Wohnungen und Zubehörden zu; ebenso sind sie 
wie jene von der Polizeigewalt der Bürgermeister 
in gleicher Weise ausgenommen. 
5. Die Handhabung des kirchlichen Patro- 
natsrechts bestimmt sich nach den kirchenrecht- 
lichen Vorschriften. In Preußen und in Hessen 
besitzen die Standesherren noch ein beschränktes 
Präsentationsrecht für die Volksschullehrerstellen 
ihrer ehemaligen Gebiete. 
6. Bezüglich der Steuern und Abgaben 
an den Staat bzw. an die Gemeinde genießen die 
Standesherren wiederum gewisse Vorrechte. Be- 
züglich der indirekten Steuern haben sie keine 
Steuerfreiheit. In Bayern erhalten die standes- 
herrlichen Familien die Zölle aus der bayrischen 
Staatskasse zurückvergütet, welche von den Ver- 
zehrungsgegenständen entrichtet worden sind, die 
für ihren eignen Hausbedarf eingeführt wurden. 
Die Befreiung der Standesherren von staat- 
lichen Personalsteuern ist in Preußen seit 
1. April 1893 gegen Entschädigung aufgehoben; 
in Bayern besteht diese Steuerfreiheit noch. 
In Württemberg, Baden und Hessen 
aber nicht. Dagegen sind die Schloßgebäude 
der Standesherren und die dazu gehörigen Gärten 
in fast allen in Betracht kommenden Bundesstaaten 
von der Gebäudesteuer und der Einquar- 
tierungslast frei. 
Während in einigen süddeutschen Staaten, wie 
Württemberg, die Standesherren auch zu den Ge- 
meindesteuern bzw.-Umlagen beigezogen werden, 
ist in Bayern die Befreiung der Standesherren 
von dieser Besteuerung aufrecht erhalten worden; 
in Preußen hat das Kommunalabgabengesetz vom 
24. Juli 1893 die Befreiung der Standesherren 
von den Realsteuern vom Grundbesitz allgemein 
beseitigt. In Bayerr bezieht sich die Befreiung 
von Ortsgemeindeumlagen nur auf ihre vormals 
reichsständischen Besitzungen. In Baden sind 
die Residenzschlösser der Standesherren und die 
dazu gehörigen Gärten befreit vom Beizug der 
Gemeindebesteuerung. In einigen Staaten besitzen 
die Standesherren auch ein Vorrecht auf Berg- 
werksmutung auf ihren Besitzungen. 
IV. Beräußerung der Rechte der Standes- 
herren. Da, wie oben ausgeführt wurde, standes- 
herrliche Häuser im Sinn des Staaterechts der 
deutschen Staaten nur jene sind, welche bis 1806 
Reichsstandschaft und Landeshoheit besessen und 
entweder damals oder später diese Eigenschaften 
verloren haben, so ergibt sich hieraus ein Dop- 
peltes: nämlich daß die standesherrlichen Rechte 
einmal an die Familien gebunden sind, somit 
nicht mit den Gütern auf eine andere Familie 
übertragen werden können, sodann daß diese 
Rechte auch an die Besitzungen gebunden sind ohne 
Standesherren, deutsche. 
  
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Rücksicht auf deren Größe. Danach beantwortet 
sich auch die Frage nach der Rechtswirkung einer 
Veräußerung von standesherrlichen Besitzungen. 
Insoweit die standesherrlichen Rechte an diese ge- 
bunden sind, gehen sie durch eine Veräußerung 
der Standesherrschaft verloren. Natürlich kann 
der Standesherr seine Eigentumsrechte veräußern 
unter Beobachtung der aus den Hausgesetzen und 
den Landesgesetzen sich ergebenden Vorschriften. 
Wenn die Veräußerung an ein ebenbürtiges Mit- 
glied derselben Familie erfolgt, dann verliert der 
Standesherr seine Stellung als Haupt der Fa- 
milie und wird so einfaches, ebenbürtiges Mitglied 
seiner Familie. Erfolgt sie aber an einen andern 
Käufer, so gehen damit dem Standesherrn und 
seiner Familie jedenfalls seine dinglichen Rechte ver- 
loren, ob auch seine und seiner Familie bisherigen 
persönlichen Vorrechte, ist bestritten. Nach der 
einen Ansicht (so G. Meyer, Verwaltungsrecht u. 
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht II) behält 
in diesem Fall die Familie ihre bisherigen per- 
sönlichen Rechte. Der Standesherr wird z. B. in 
Preußen bloßer „Personalist"“ und seine Eigen- 
schaft als ehemaliger Standesherr ist dort be- 
sonderer Bestimmung anheimgegeben. In Bayern 
gehen nach v. Seydels Ansicht mit dem vollstän- 
digen Verlust der standesherrlichen Besitzungen 
auch die persönlichen Rechte als Standesherr ver- 
loren. 
V. Standesherrliche Vorrechte in Sachsen. 
Da das Königreich Sachsen bei der Mediatisation 
in den Jahren 1806 und 1815 leer ausging, so 
hatte es auch keine Standesherren im Sinn des 
Art. 14 der Bundesakte. Doch wurde der Fa- 
milie von Schönburg, die schon 1740 ihre Landes- 
hoheit verloren hatte, vom deutschen Bundestag 
1828 „diejenigen persönlichen und Familienrechte 
und Vorteile, welche durch die Bundes= und 
Schlußakte oder durch spätere Bundesbeschlüsse 
den im Jahr 1806 mediatisierten ehemaligen 
reichsständischen Familien zugesichert worden“, 
eingeräumt. So genießt diese Familie Schönburg 
noch jetzt in Sachsen eine Anzahl von persönlichen 
standesherrlichen Rechten. In ähnlicher Weise 
kommen in Sachsen dem zum standesherrlichen 
Gesamthaus Solms gehörigen Haus Solms-Wil- 
denfels standesherrliche Vorrechte zu. 
VI. In Osterreich sind die meisten Vorrechte 
der Standesherren weggefallen, so besteht dort 
auch die Befreiung der Mitglieder der mediati- 
sierten Häuser von der Steuer- und Militärpflicht 
seit 1848 nicht mehr. Nur die Ebenbürtigkeit 
dieser Häuser und der Titel „Durchlaucht“ bzw. 
„Erlaucht“ für die Häupter dieser Familien wur- 
den ihnen zuerkannt, da die Bundesakte von 1814 
in Osterreich niemals in ihrer Gesamtheit verkün- 
det worden, somit dort die standesherrlichen Pri- 
vilegien nur insoweit bestehen, als dieselben durch 
Spezialgesetze anerkannt sind. 
Literatur. Vollgraff, Die deutschen Standes- 
herren (2 Bde, 1824); v. Dresch, Von den Rechts-
	        
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