Full text: Von Potsdam nach Doorn.

rühmten Worte Voltaires angaben: „Vernichtet dieses niederträchtige Ge- 
bilde!‘ Die Übersteigerungen dieses Kampfes sollen nicht gerechtfertigt 
werden, ebensowenig wie die Überschätzung der „Vernunft“, die zu Beginn 
der Französischen Revolution in dem grotesken Schauspiel ihrer Göttlich- 
keitserklärung gipfelte. Sie behielt freilich nur vier Jahre lang ihre erklärte 
Souveränität, wenn sie auch weiterhin noch das große Schlagwort Europas 
blieb. Immanuel Kant hat der Vernunft dann in seinem monumentalen 
kritischen Werk ein für allemal ihre Grenzen gezogen. 
Andererseits darf nicht verkannt werden, daß gerade die Aufklärunggroße, 
tiefe und glänzende Geister in Frankreich gezeitigt hat, die zu einer wirk- 
lichen Aufklärung Großes beigetragen haben. Sie alle auf die negative Seite 
der europäischen Entwicklung stellen zu wollen, ist ein großer Fehler ge- 
wesen, besonders deshalb, weil man die Träger der französischen Aufklärung 
mit den Greueln der Revolution gleichsetzte, die sonst nichts geleistet 
hätten, als den Völkern die Religion zu nehmen. 
Das folgende Zeitalter der Maschine, der Naturwissenschaften, des inter- 
nationalen materialistischen Sozialismus, das Zeitalter auch Darwins und 
seiner Nachfolger brachte im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts dem 
Christentum, besonders dem Kirchenglauben und der Kirche selbst, schwere 
Niederlagen bei. Die Kirche hatte dabei ihre innere Schwäche offenbart, 
nicht zum wenigsten auch auf ihrem eigenen, dem religiösen Gebiet. Da war 
es kein Wunder, daß auch in Deutschland die fromme Ehrfurcht vor König- 
tum, Kaisertum und Legitimität schwand. 
Freimaurertum und Judentum haben sich erst im Verlaufe der Revo- 
lution in diese eingeschlichen und sie von ihrem eigentlichen Wege entfernt. 
Daß die Revolution aber das Gottesgnadentum der Könige und Fürsten 
zeitweilig beseitigte und für immer erschütterte, das war weder eine Sünde 
gegen Gott noch gegen das Volk. Die Ermordung des unglücklichen und sehr 
volksfreundlichen Ludwig des Sechzehnten und der Königin soll natürlich 
nicht beschönigt oder gar entschuldigt werden. Sie ist eines der scheußlich- 
sten Verbrechen der europäischen Geschichte gewesen und wird es bleiben. 
Die Erschütterung des Gottesgnadentums hatte eine Wirkung, die hervor- 
gehoben zu werden verdient. Angedeutet findet sie sich in Goethes Vers. 
„Warum denn, wie mit einem Besen 
Wird so ein König hinausgekehrt ? 
Wären’s Könige gewesen, 
Sie stünden noch alle unversehrt.“ 
Je mehr die Valuta des Gottesgnadentums der souveränen Fürsten sank, 
desto ausschließlicher vereinigten sich Beurteilung und Kritik auf den per- 
sönlichen Wert oder Unwert des Fürsten, auf seine Leistung in seiner Eigen- 
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