Full text: Von Potsdam nach Doorn.

gemerkt, es wurde hier nur von Volk, Vaterland, Freiheit und Ehre ge- 
sprochen, nicht von Königen und Fürsten, nicht von einem Kaiser, der über 
das ganze Deutschland herrschen solle. Auch für die studentischen Front- 
kämpfer von 1813/15 war nicht die Sehnsucht nach einem Kaiser 
das Ursprüngliche und Richtunggebende, sondern die Sehn- 
sucht nach der deutschen Einheit. Jedes Mittel, jede Füh- 
rung, die sie zustande brächte, war recht. 
Die schwarzrotgoldene Fahne wählte die Burschenschaft, mit dem Banner- 
spruch: ‚Ehre, Freiheit, Vaterland‘. Es ist ein Irrtum, daß diese Farben- 
zusammenstellung eine Erinnerung und Beziehung zum Heiligen Römischen 
Reich Deutscher Nation hätte kundgeben sollen. Der Sinn ist häufig ge- 
deutet worden. Unter Studenten der vierziger Jahre ging der Spruch: 
„Durch schwarze Nacht und blutige Schlacht zum goldenen Lichte der 
Freiheit!‘ 
Berühmt geworden ist das nach dem Verbot der Burschenschaft gedichtete 
Lied von A. von Binzer: ‚Wir hatten. gebauet ein stattliches Haus.‘‘ Die 
beiden letzten Verse lauten: 
„Das Band ist zerschnitten, 
War schwarz, rot und gold. 
Und Gott hat es gelitten, 
Wer weiß, was er gewollt! 
Das Haus mag zerfallen — 
Was hat’s dann für Not? 
Der Geist lebt in uns allen, 
Und unsere Burg ist Gott.“ 
Die Geschichte der deutschen Burschenschaft an sich ist kurz gewesen und 
eigentlich nicht viel mehr geworden als ein Sinnbild vaterländischer Jugend- 
begeisterung. In dem Worte ‚‚vaterländisch‘ liegtaber etwas, das den Natio- 
nalsozialisten von heute berühren muß: das erste Auftreten des bewußt 
politischen Studenten in Deutschland. Der politische Student ist nachher 
verfemt worden. Vom Metternich-Regime ausgerottet, wurde er noch Ende 
des neunzehnten Jahrhunderts als demokratisch und unvornehm in den 
höheren Gesellschaftsschichten verworfen und gering geschätzt. Manche 
Korpsstudenten sehnten sich gleichwohl nach der betont deutschen Atmo- 
sphäre der Burschenschaft, während Tradition und ‚rauher Ton‘ sie fern- 
hielten. Außerdem: der Student ist für Politik nicht reif. Er soll das Leben 
unbefangen kennenlernen! 
Der Student der oberen Schichten sollte studieren, außerdem die Freiheit 
der Jugendjahre genießen. Gegen das letztere etwas einzuwenden, wäre 
lächerlich; aber die Ausschaltung der Politik aus dem Studentenleben — 
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