Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1873. (7)

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§. 107. 
Stehen dem Erscheinen eines Zeugen Krankheit, große Entfernung oder 
andere unabwendbare Hindernisse entgegen, so ist von der Disziplinarkammer 
dessen Vernehmung durch einen damit beauftragten Beamten unter Beiladung 
der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten anzuordnen. 
Als große Entfernung im Sinne dieses Gesetes ist es nicht anzusehen, 
wenn der Zeuge sich im Bezirke der entscheidenden Disziplinarkammer aufhält. 
§. 108. 
Bei der Entscheidung hat die Disziplinarkammer, ohne an positive Be- 
weisregeln gebunden zu sein, nach ihrer freien, aus dem Inbegriffe der Ver- 
handlungen und Beweise geschöpften Ueberzeugung zu beurtheilen, inwieweit die 
Anschuldigung für begründet zu erachten. 
Ist die Anschuldigung nicht begründet, so spricht die Disziplinarkammer 
den Angeschuldigten frei. Vorläufige Freiprechug (Entbindung von der Instanz) 
ist nicht statthaft. Gegen den freigesprochenen Angeschuldigten darf wegen der 
nämlichen den Gegenstand der Anschuldigung bildenden Handlung ein  Diszipli- 
narverfahren nicht wieder eingeleitet werden. 
Ist die Anschuldigung begründet, so kann die Entscheidung auch auf eine 
bloße Ordnungsstrafe lauten. 
Die Entscheidung, welche mit Gründen versehen sein muß, wird in der 
Sitzung, in welcher die mündliche Verhandlung beendigt worden ist und spätestens 
innerhalb der darauf folgenden vierzehn Tage verkündet. Eine Ausfertigung der 
Entscheidung wird dem Angeschuldigten ertheilt. 
§. 109. 
Ueber die mündliche Verhandlung wird ein Protokoll ausgenommen, welches 
die Namen der Anwesenden und die wesentlichen Momente der Verhandlung 
enthalten muß. Das Protokoll wird von dem Vorsitzenden und dem Protokoll- 
führer unterzeichnet. §.110 
Gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer steht die Berufung an den 
Disziplinarhof sowohl dem Beamten der Staatsanwaltschaft als dem Angeschul- 
digten offen. 
Neue Thatsachen, welche die Grundlage einer anderen Beschuldigung bilden, 
dürfen in der Berufungsinstanz nicht vorgebracht werden. 
G. 111. 
Die Anmeldung der Berufung geschieht zu Protokoll oder schriftlich bei 
der Disziplinarkammer, welche die anzugreifende Entscheidung erlassen hat. Von 
Seiten des Angeschuldigten kann sie auch durch einen Bevollmächtigten geschehen. 
Die Frist zu der Anmeldung ist eine vierwöchentliche. Sie beginnt für 
den Beamten der Staatsanwaltschaft mit dem Ablaufe des Tages, an welchem 
die Entscheidung verkündet, für den Angeschuldigten mit dem Ablaufe des Tages, 
an welchem ihm die Ausfertigung der Entscheidung zugestellt worden ist.
	        
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