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(Nr. 2872.) Gesetz, betreffend die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme heim-
zuschaffender Seeleute. Vom 2. Juni 1902.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König
von Preußen etc..
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths
und des Reichstags, was folgt:
§. 1.
Jedes deutsche Kauffahrteischiff, welches von einem außerdeutschen Hafen
nach einem deutschen Hafen oder nach einem Hafen des Kanals, Großbritanniens,
des Sundes oder des Kattegats oder nach einem außerdeutschen Hafen der Nord-
see oder der Ostsee bestimmt ist, ist verpflichtet, deutsche Seeleute, welche außer-
halb des Reichsgebiets sich in hülfsbedürftigem Zustande befinden oder wegen
einer nach den Reichsgesetzen strafbaren Handlung an die heimischen Behörden
abgeliefert werden sollen, behufs ihrer Zurückbeförderung nach Deutschland auf
schriftliche Anweisung des Seemannsamts gegen eine Entschädigung (§. 5) nach
seinem Bestimmungshafen mitzunehmen. Das Gleiche gilt, wenn das Schiff
nach einem anderen außerdeutschen Hafen bestimmt ist, von welchem aus die
Weiterbeförderung nach einem der vorbezeichneten Häfen erfolgen kann. Deutsche
Häfen im Sinne dieses Absatzes sind nur die Häfen des Reichsgebiets.
In Ansehung ausländischer Seeleute, welche unmittelbar nach einem Dienste
auf einem deutschen Kauffahrteischiff außerhalb des Reichsgebiets sich in einem
hülfsbedürftigen Zustande befinden, liegt den nach deren Heimathslande bestimmten
deutschen Kauffahrteischiffen eine gleiche Verpflichtung ob.
Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen kann der Kapitän vom Seemanns-
amte zwangsweise angehalten werden.
§. 2.
Bieten mehrere Schiffe Gelegenheit zur Mitnahme, so sind die zu be-
fördernden Seeleute durch das Seemannsamt nach Verhältniß der Größe der
Schiffe und der Zahl ihrer Mannschaften auf die einzelnen Schiffe zu vertheilen.
§. 3.
Die Mitnahme kann verweigert werden:
1. wenn und soweit an Bord kein angemessener Platz für die Mit-
zunehmenden vorhanden ist;
2. wenn der Mitzunehmende bettlägerig krank oder mit einer die Gesund-
heit oder Sicherheit der an Bord befindlichen Personen gefährdenden
geschlechtlichen oder sonstigen Krankheit behaftet ist