Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1905. (39)

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erscheinungen sind sehr mannigfaltig. Am häufigsten tritt die Bleikolik auf: 
Der Kranke empfindet heftige, krampfartige, von der Nabelgegend ausgehende 
Leibschmerzen (Kolikschmerzen); der Leib ist eingezogen und hart dabei bestehen 
häufig Erbrechen und Stuhlverstopfung, selten Durchfall. In anderen Krankheits- 
fällen zeigen sich Lähmungen; sie betreffen gewöhnlich diejenigen Muskeln, durch 
welche das Strecken der Finger besorgt wird, und treten meistens an beiden 
Armen auf; ausnahmsweise werden auch andere Muskeln an den Armen oder 
Muskeln an den Beinen oder am Kehlkopfe befallen. Mitunter äußert sich die 
Bleivergiftung in heftigen Gelenkschmerzen; von ihnen werden meist die Knie- 
gelenke, seltener Gelenke an den oberen Gliedmaßen ergriffen. In besonders 
schweren Fällen treten Erscheinungen einer Erkrankung des Gehirns auf heftige 
Kopfschmerzen, allgemeine Krämpfe, tiefe Bewußtlosigkeit oder große Unruhe, 
Erblindung). Endlich steht die Bleivergiftung mit dem als Schrumpfniere be- 
zeichneten schweren Nierenleiden und mit der Gicht in einem ursächlichen Zu- 
sammenhange. — Bei bleikranken Frauen sind Fehl- oder Totgeburten häufig. 
Lebend zur Welt gebrachte Kinder können infolge von Bleisiechtum einer erhöhten 
Sterblichkeit in den ersten Jahren unterliegen. Von bleikranken Frauen an der 
Brust genährte Kinder werden mittels der Milch vergiftet. 
Abgesehen von den schweren, mit Gehirnerscheinungen einhergehenden Fällen, 
welche nicht selten tödlich verlaufen, pflegen die Bleivergiftungen meist zu heilen, 
wenn die Kranken sich der weiteren schädigenden Einwirkung des Bleies entziehen 
können. Die Heilung tritt nach mehreren Wochen oder in schweren Fällen auch erst 
nach Monaten ein. 
Verhütung der Bleierkrankung. 
Die weit verbreitete Annahme, daß der regelmäßige Gebrauch gewisser 
Arzneien (Jodkalium, Glaubersalz u. a.) oder Milchtrinken ausreichende Mittel 
zur Vorbeugung der Bleivergiftung sind, ist nicht zutreffend. Dagegen ist einer 
kräftigen und fettreichen Ernährung und insofern auch dem Milchtrinken ein ge- 
wisser Wert beizulegen. 
Den wirksamsten Schutz vor Bleierkrankungen verleihen Sauberkeit und 
Mäßigkeit. Personen, welche, ohne gerade zu den Trinkern zu gehören, geistige 
Getränke in reichlichen Mengen zu sich zu nehmen pflegen, sind der Bleivergiftungs- 
gefahr in höherem Maße ausgesetzt als Enthaltsamere. Branntwein sollte, nament- 
lich während der Arbeitszeit, nicht genossen werden. In bezug auf die Sauberkeit 
müssen die mit Bleifarben in Berührung kommenden Personen ganz besonders 
peinlich sein und dabei vornehmlich folgendes beachten: 
1. Hände und Arbeitskleider sind bei der Arbeit tunlichst vor Verunreini- 
gungen mit Bleifarben zu hüten. Es empfiehlt sich, die Nägel stets 
möglichst kurz geschnitten zu halten. 
2. Da Verunreinigungen der Hände mit Bleifarben nicht gänzlich zu ver- 
meiden sein werden, ist das Rauchen, Schnupfen und Kauen von 
Tabak während der Arbeit zu unterlassen. 
Reichs- Gesetzkl. 1905. 90
	        
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