Object: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
14 Das Heerwesen. IV. Buch. 
  
1 Kavallerie- und 1 Artilleriebrigade, 1 JZäger-, 1 Pionier- und 1 Trainbataillon. Auch 
nach der Durchführung des Gesetzes von 1912 behielten jedoch 6 Armeekorps 5. In- 
fanteriebrigaden; 18 Regimentern fehlten die 3. Bataillone; 4 baperischen Kavallerie- 
regimentern die 5. Eskadrons. Auch war ein Kavallerieregiment zu wenig vorhanden 
und Zäger gab es überhaupt nur 18 Bataillone. Bei mehreren Korps waren Be- 
kleidungsämter nicht eingerichtet. Auch waren noch manche andere Lücken zu schließen. 
Der Train blieb nach wie vor ungenügend organisiert, vielen Pionierbataillonen fehlten 
die Scheinwerferzüge. Auch eine einigermaßen gleichmäßige Formation der Fußartil- 
lerie war nicht erreicht. 
Wenn somit in mancher Hinsicht die Armee damals als unfertig bezeichnet 
werden mußte, so befand sie sich andererseits, was Ausrüstung und Be- 
waffnung anbetraf, durchaus auf der Höhe moderner Anforderungen. Das 
ist auch heute noch der Fall. 
Die Infanterie ist mit einem Gewehr Modell 98 ausgerüstet, das 
als eine wesentliche Verbesserung des Gewehres 88 gelten kann. 
Bei einem Kaliber von 7,9 mm und zweckmäßiger Packladung führt es ein spitzes 
S-Geschoß und erreicht eine Anfangsgeschwindigkeit von 885 sm, die teils durch die 
Form und Leichtigkeit des Geschosses, teils durch eine relativ starke Ladung und ein 
verbessertes rauchschwaches Pulver erreicht worden ist. Kein Gewehr einer anderen 
Armee ist dieser Waffe überlegen. Kavallerie und Fußartillerie sind mit einem 
Karabiner gleicher Konstruktion und fast gleicher Leistungsfähigkeit, die Kavallerie ist 
außerdem mit Stahlrohrlanzen bewaffnet; die Feldartillerie erhält eine Selbstlade- 
pistole mit einem Neunpatronenmagazin im Griff und einer Tragweite von 1500 m bei 
nur 21,7 cm Länge. Das eingeführte Maschinengewehr, nach dem System Mazim, ist 
als Selbstlader konstruiert und ermöglicht eine Feuergeschwindigkeit von 600 Schuß 
in der Minute. 
Bei der Feldartillerie wurden nach Einführung des rauchschwachen Pulvers 1889 
zunächst einige Verbesserungen an dem vorhandenen Material vorgenommen. Beim 
Schrapnell wurde der Doppelzünder eingeführt, bald darauf die Sprenggranate, die 
sich jedoch wenig bewährte; 1892 kamen eine selbsttätige Seilbremse und die Richtfläche 
binzu, die das Schießen aus verdeckten Stellungen erleichterte, 1893 ein neues leistungs- 
fähigeres Schrapnell. Mittlerweile war die Frage des Schnellfeuergeschützes eine 
brennende geworden; es kam dabei vornehmlich auf die Beseitigung des Rücklaufs an. 
Dieser Zweck konnte entweder dadurch erreicht werden, daß der Rücklauf der Lafette 
durch einen Sporn gehemmt wurde oder durch eine Vorrichtung, vermöge deren das 
Rohr auf der unteren Lafette beim Schuß zurückgleiten und selbsttätig wieder vor- 
geführt werden konnte. In Frankreich entschied man sich für das letztere System, in 
Deutschland zunächst für das erstere. Es wurde ein entsprechend konstruiertes Geschütz, 
Modell 1896, eingeführt. Auch wurden die Richtmittel wesentlich verbessert. Bald 
jedoch sah man sich veranlaßt, zu dem zweiten System überzugehen, zugleich nach dem 
Vortritt Frankreichs Schutzschilde für die Bedienungsmannschaften einzuführen und 
Bewaffnung. 
  
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