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er eine doppelte Aufgabe zuweist: Landeskultur und Jugend—
bildung. Zwei Stellen, welche diese Gesellschaft betreffen,
sind vor allen anderen als freimaurerische Muster-Aussprüche
hervorzuheben, der „Lehrbrief,“ welchen Wilhelm bei seiner
Aufnahme in den Bund erhält, und die Auseinandersetzung
der Bundeszwecke, wie sie Lenardo in seiner Rede zum
Besten giebt.
Jener lautet: „Das Leben ist kurz, die Kunst lang,
das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig. Handeln ist
leicht, denken schwer; nach dem Gedachten handeln unbequem.
Aller Anfang ist heiter und spannt die Erwartung. Der
Knabe staunt, der Eindruck bestimmt ihn; er lernt spielend,
der Ernst überrascht ihn. Selten wird das Treffliche ge-
funden, seltener geschätzt. Die Höhe reizt uns, nicht die
Stufen; den Gipfel im Auge wandeln wir gerne in der
Ebene. Nur ein Teil der Kunst kann gelehrt werden, der
Künstler braucht sie ganz. Wer sie halb kennt, ist immer
irre und redet viel; wer sie ganz besitzt, mag nur handeln
und redet selten oder spät. Jene haben keine Geheimnisse
und keine Kraft; ihre Lehre ist wie gebackenes Brot schmack-
haft und sättigend für einen Tag; aber Mehl kann man
nicht säen und die Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden.
Die Worte sind gut, sie sind aber nicht das Beste. Der
Geist, aus dem wir handeln, ist es. Wer bloß mit
Zeichen wirkt, hält den Schüler zurück. Des echten Weisen
Lehre schließt den Sinn auf; denn wo die Worte fehlen,
spricht die That. Der echte Schüler lernt aus dem Be-
kannten das Unbekannte entwickeln und nähert sich dem
Meister.“
Die Bundeszwecke sodann werden folgendermaßen zu-
sammengefaßt: „Unsere Gesellschaft ist darauf gegründet, daß
jeder in seinem Maße, nach seinen Zwecken aufgeklärt werde
. .- ZUo dürfen wir uns in einem Weltbunde begriffen
ansehen. Einfach groß ist der Gedanke, leicht die Ausführung