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Bewußtsein, die Prostitution doch nicht völlig aus der Welt
schaffen zu können, sich in ihrer Thätigkeit auf die Beseitigung
wirklichen öffentlichen Ärgernisses beschränken sollte. Niemand
hat das Recht, ehelosen Männern, namentlich solchen, die
zu diesem Stande gezwungen sind (wie Studierenden, Geschäfts-
reisenden, Soldaten, Matrosen, Gesellen u. s. w.) völlige
Enthaltsamkeit vorzuschreiben; denn das würde doch nichts
nützen, und die Enthaltsamkeit hat nur dann einen Wert,
wenn sie freiwillige Gewissenssache ist (gerade wie die Mäßigkeit,
die bei dem Verbote aller geistigen Getränke auch kein Verdienst
wäre). Auf der andern Seite aber hat der Staat (bez. die
Stadt) keine Pflicht, ja auch kein Recht, solchen Leuten zur
Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu verhelfen und väterlich
für ihre Gesundheit zu sorgen. Sie sollen die Gelegenheiten
zur Befriedigung ihrer Lüste selbst aufsuchen, und je schwieriger
dies wird, um so eher sehen sie davon ab; denn schließlich
müssen sie die Thatsache anerkennen, daß man von der Unzucht
sehr oft krank wird, von der Enthaltsamkeit aber niemalsl
Was sie aber sich leichtfertig zuziehen, sollen sie auch tragen.
Eine Verminderung der geschlechtlichen Krankheiten ist bisher
weder durch die Bordelle, noch durch die Einschreibung
freier Dirnen erzielt worden. Die Wegschaffung alles Skandals
müßte dieselben notwendig beschränken, und die Arzte könnten
dies noch weiter führen, indem sie die Hand zu Veranstaltungen
böten, die wir als Nichtfachmann ihnen überlassen müssen,
etwa nach Art derjenigen, die gegen Pocken, Cholera, Typhus
u. s. w. getroffen werden. Syphilitiker beider Geschlechter
sollten z. B. zum Eintritte in Hospitäler gezwungen werden
können.“)
Ubrigens ist die Gefahr, welche die Syphilis mit sich
bringt, lange nicht so groß, wie diejenige, die aus anderen
ansteckenden oder epidemischen Krankheiten hervorgeht. Denn
das genannte Ubel beschränkt sich immerhin auf eine gewisse
« * Dies schlägt auch Georg Keben (die Prostitution, Zürich 1892) vor.