Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

sich dies nur immer denken läßt. Gegen Nichts außer dem 
Götzendienste traten die Apostel und Kirchenväter mit solcher 
Entschiedenheit auf, wie gegen die allerdings mit ersterem 
eng verbundene geschlechtliche Zuchtlosigkeit; sie schlossen die 
sich ihr ergebenden Personen von der Gemeinde aus und 
anerkannten als Berechtigung zum geschlechtlichen Umgange 
lediglich die monogamische Ehe, und zwar mit Ausschluß 
einer zweiten Ehe Verwitweter, ja auch dieses nur mit 
Widerstreben; wäre es ganz nach ihrem Sinne gegangen, so 
wäre die Menschheit ausgestorben — ohnedies erwarteten 
sie ja binnen kurzer Zeit die Wiederkunft Christi und das 
jüngste Gericht, — wozu also eine Fortpflanzung? Christen- 
tum und Keuschheit wurden daher nahezu sich deckende 
Begriffe. Das Christentum wandte sich zuerst an die Armen 
und Unterdrückten, welche mehr die Opfer als die Mit- 
schuldigen der heidnischen Ausschweifungen waren, und dies 
beförderte seine Ausbreitung nicht wenig. Obschon dieser 
asketische Geist auch bei Heiden jener Zeit vorkam, z. B. bei 
dem Pseudomessias Apollonios von Tyana, bei Kaiser Julian, 
dem Apostaten, bei der Philosophin Hypatia und der Kaiserin 
des Ostens, Zenobia. Wehrte sich doch das offizielle Heidentum 
gegen die ihm von jeder Seite drohende Gefahr durch Ver- 
leumdung descchristlichen Gottesdienstes als eines solchen der 
Sittenlosigkeit, — als ob in dieser Richtung damals noch 
etwas hätte verschlimmert werden können! Ja, es rächte sich 
für die Angriffe auf seine Lieblingsneigungen durch die 
teuflisch erfundene Praxis, die Christinnen zur Strafe für 
ihren Abfall zur Prostitution zu zwingen! Christliche Jung- 
frauen wurden, da das römische Gesetz ihren Stand vor der 
Todesstrafe schützte, erst vom Henker geschändet und dann 
hingerichtet! Auf der andern Seite gab es zahlreiche Prosti- 
tuierte, welche die Taufe annahmen und damit ein keusches 
Leben begannen, ja zu Heiligen wurden. — 
Die Keuschheit blieb jedoch nicht immer und überall
	        
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