— 50 —
Die Sage ließ sich an diesen Verhältnissen nicht genügen
und verwandelte sogar des Geschichtschreibers Einhard fromme
Gattin Imma (Emma) in eine Tochter des Kaisers. Zu
entschuldigen sind jene illegitimen Bünde durch des Herrschers
Weigerung, seine schönen Töchter, die er nicht missen mochte,
zu verheiraten; gemildert wird ihre Anstößigkeit durch die
hohe Bildung, welche diese Mädchen erhielten und welche sie
befähigte, an den Arbeiten der berühmten „Akademie“ Karls
teilzunehmen, und gedeckt wurden jene Verhältnisse durch
den Glanz, mit dem der Monarch seine Familie besonders
bei Jagden umgab, wie auch durch das im übrigen trauliche
und innige Verhältnis zwischen ihm und seinen Kindern.
Man sagte damals, eine Enkelin des Kaisers, Gundrade,
sei das einzige tugendhafte Mädchen am Hofe gewesen.
Zwar begann schon Karl, denselben von unreinen Elementen
zu säubern; aber es blieben deren noch genug, um seinen
Nachfolger zu noch einschneidenderen Schritten zu veranlassen.
Derselbe soll die öffentlichen Dirnen verurteilt haben, 40 Tage
lang halbnackt, mit einer Inschrift an der Stirn, welche ihre
Schuld kundgab, im Lande umherzuirren.
Im zehnten Jahrhundert wurde eine asketische Richtung
auf dem Gebiete der Religion, besonders in Deutschland,
vorherrschend; aber nicht nur dieser Umstand hatte eine
merkliche Besserung des sittlichen Lebens im Gefolge, sondern
auch die Trennung Deutschlands vom Frankenreiche für
ersteres Land. Das schon von Tacitus gerühmte reine
Familienleben hatte sich östlich vom Rhein überhaupt nie
wesentlich zum schlimmern gewendet, sondern nur da, wo
die Germanen sich mit Romanen vermischten. Der Hof der
sächsischen Könige und Kaiser war makellos und unterschied
sich daher vorteilhaft von demjenigen Karls des Großen, und
die Frauen, die an ihm lebten, waren herrliche Gestalten
an Sittenreinheit. Daher wurden auch im deutschen Reiche
die Frauen so hoch geehrt wie im ungeteilten fränkischen