— 57
den Ertrag dieser Häuser vergab und verlieh, z. B. in
Deutschland der Kaiser den Grafen von Henneberg und
Denen von Pappenheim, während ihn der Papst in Rom
sich selbst vorbehielt. Der Lordmajor von London und der
Senat in Venedig hielten es im fünfzehnten Jahrhundert
nicht unter ihrer Würde, für die Bordelle ihrer Städte
Mädchen aus der Fremde zu verschreiben und hierfür Auf-
käufer zu bestellen, welche umherreisten und besonders
Schwäbinnen auffingen. Überall befolgte man die Regel,
Fremde zu dieser Berufsart herbeizuziehen, verlieh ihnen
aber im Falle guter (!) Aufführung oft das Bürgerrecht
steuerte sie aus, wenn sie heirateten, und begünstigte sogar
ihren Eintritt in Klöster, deren es eigene für „Büßerinnen“
oder „Reuerinnen“ gab. Sie durften mit Blumensträußen
auf Ratsmahlzeiten und öffentlichen Bällen erscheinen,
öffentliche Umzüge halten, Zünfte bilden und Vorsteherinnen
wählen, ja einen Zunftzwang ausüben. Rekrutiert wurden
sie teils aus freiwillig eintretenden, teils aus erkauften Fremden;
doch scheinen sie gegen Gewalthätigkeiten und Uberanstrengung
geschützt und der Austritt ihnen in der Regel unbenommen
gewesen zu sein. Auch war es ihnen nicht verwehrt, vor
dem Hause zu sitzen und durch Anrufungen, Geberden u. s. w.
Kunden anzulocken. Das merkwürdigste aber ist, daß vor-
nehme Gäste bei ihren Besuchen in Städten nicht nur mit
Speise, Trank und Wohnung, sondern auch durch freien
Besuch der Frauenhäuser bewirtet wurden. So geschah es
1414 in Bern und 1434 in Ulm gegenüber dem König
(später Kaiser) Sigmund, was derselbe rühmend hervorhob.
Die Kehrseite dieser Privilegien war, daß die Dirnen
von ihren Gästen mißhandelt werden durften, daß ihnen der
Henker oder Büttel zum Aufseher gegeben und ein ehrliches
Begräbnis verweigert wurde. Von einer ärztlichen Ausfsicht
und Untersuchung war keine Rede, sondern nur von polizei-
licher Uberwachung.