Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

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den Ertrag dieser Häuser vergab und verlieh, z. B. in 
Deutschland der Kaiser den Grafen von Henneberg und 
Denen von Pappenheim, während ihn der Papst in Rom 
sich selbst vorbehielt. Der Lordmajor von London und der 
Senat in Venedig hielten es im fünfzehnten Jahrhundert 
nicht unter ihrer Würde, für die Bordelle ihrer Städte 
Mädchen aus der Fremde zu verschreiben und hierfür Auf- 
käufer zu bestellen, welche umherreisten und besonders 
Schwäbinnen auffingen. Überall befolgte man die Regel, 
Fremde zu dieser Berufsart herbeizuziehen, verlieh ihnen 
aber im Falle guter (!) Aufführung oft das Bürgerrecht 
steuerte sie aus, wenn sie heirateten, und begünstigte sogar 
ihren Eintritt in Klöster, deren es eigene für „Büßerinnen“ 
oder „Reuerinnen“ gab. Sie durften mit Blumensträußen 
auf Ratsmahlzeiten und öffentlichen Bällen erscheinen, 
öffentliche Umzüge halten, Zünfte bilden und Vorsteherinnen 
wählen, ja einen Zunftzwang ausüben. Rekrutiert wurden 
sie teils aus freiwillig eintretenden, teils aus erkauften Fremden; 
doch scheinen sie gegen Gewalthätigkeiten und Uberanstrengung 
geschützt und der Austritt ihnen in der Regel unbenommen 
gewesen zu sein. Auch war es ihnen nicht verwehrt, vor 
dem Hause zu sitzen und durch Anrufungen, Geberden u. s. w. 
Kunden anzulocken. Das merkwürdigste aber ist, daß vor- 
nehme Gäste bei ihren Besuchen in Städten nicht nur mit 
Speise, Trank und Wohnung, sondern auch durch freien 
Besuch der Frauenhäuser bewirtet wurden. So geschah es 
1414 in Bern und 1434 in Ulm gegenüber dem König 
(später Kaiser) Sigmund, was derselbe rühmend hervorhob. 
Die Kehrseite dieser Privilegien war, daß die Dirnen 
von ihren Gästen mißhandelt werden durften, daß ihnen der 
Henker oder Büttel zum Aufseher gegeben und ein ehrliches 
Begräbnis verweigert wurde. Von einer ärztlichen Ausfsicht 
und Untersuchung war keine Rede, sondern nur von polizei- 
licher Uberwachung.
	        
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