Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

Außerhalb der „Frauenhäuser" spielten die vagierenden 
oder „fahrenden" Dirnen keine geringe Rolle. Dieselben 
zogen in hellen Haufen den Heeren und anderen Zügen 
nach. Sie folgten den Kreuzzügen bis nach dem heiligen 
Lande, später vorzüglich den Landsknechten, unter welchen 
zu ihrer Beaufsichtigung und zugleich zu jener der Troßbuben 
ein „Hurenwaibel“ aufgestellt war, dessen Rechte und Pflichten 
genau bestimmt und aufgezeichnet und auf dessen Amt und 
Untergebene sogar Verse geschmiedet wurden. Dem Religions- 
heer des Herzogs von Alba nach den Niederlanden folgten 
400 Dirnen zu Pferde und 800 zu Fuß, in Compagnien 
geteilt, mit eigenen Fahnen und den Rangstufen ihrer Lieb- 
haber. Aber auch im Frieden geschah ähnliches. Den welt- 
lichen Hoflagern der Kaiser, Könige und Fürsten, den 
Krönungs= großen Hochzeitsfesten, Reichstagen, Turnieren, 
Jahrmärkten u. s. w., wie den Concilien der geistlichen 
Herren strömten Lustdirnen in Menge zu. Am Concil in 
Konstanz sollen sich ihrer über 700, ohne die heimlichen, 
zusammen an 1500, eingefunden haben, von denen Eine 
800 Goldgulden „verdient“ haben soll. 
Aber die Berührung zwischen der Kirche und der 
Prostitution ging noch weiter. An den Kirchen selbst wurden 
ohne Scheu die unzüchtigsten Bilder ausgehauen und in 
Kirchenbücher gemalt. Die kirchlichen Strafbücher, welche 
alle solche Greuel mit Kirchenbußen und Fasten von ver- 
schiedener Zeitdauer abmachten (ein entsetzlicher Tarif!), 
erwähnen Fälle, die unserer Zeit, so weit sie sich nicht in 
Bordellen bewegt, unverständlich geworden sind. Wie über- 
haupt in diesem Punkte gedacht wurde, zeigen die schamlosen, 
von „gebildeten“" Herren und Damen erzählten Geschichten 
in Boccaccio Decamerone. 
Wie das ganze Leben von der Prostitution durchsäuert 
war, ersieht man aus dem Zusammenhange der Hexerei und 
Ketzerei mit derselben. Die gesamten Hexenprozesse bestanden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.