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einheimischen (Maurinnen) zählen 12 bis 30 Jahre, sind
verschleiert, sehen in ihrem Gewerbe nichts unrechtes und
geben sich in der Kasbah, dem muslimischen Quartier, dem
ersten Besten um den geringsten Preis hin. Sie werden
von den nach Mekka pilgernden Arabern, je eine für eine
Reisegesellschaft von 2 bis 4 Köpfen, gemietet, wie man in
Europa Dienstboten anstellt. Die Dirnen der etwa 30 Bor—
dellwirte sind Europäerinnen (Elsässerinnen, Provenzalinnen,
Italienerinnen, Spanierinnen u. s. w.), etwa 200 an der
Zahl und durch Kauf in Frankreich in diese Lage gekommen.
Jeder Bordellwirt zahlt der Polizei jährlich 300 Fr. Abgabe.
Die freien Prostituierten zählen 5 bis 6000; ein Teil von
ihnen sowohl als von den einheimischen ist eingeschrieben und
diese zahlen bei jeder ärztlichen Untersuchung, deren drei
monatlich (!) stattsinden, 3 Francs. Das Betreten öffentlicher
Lokale, der Theater und der Promenaden ist ihnen verboten,
was aber nicht beobachtet wird; das Reglement steht, wie
anderwärts auch, nur auf dem Papier.
2. Belgien.
Belgien, welches sich die französischen Einrichtungen
der Sittenpolizei zuerst aneignete und in manchen Beziehungen
sie noch überbot, kann als das eigentliche Idealland für alle
Bewunderer staatlich organisierter und privilegierter Pro-
stitution, d. h. der Sklaverei armer Mädchen zum Vergnügen
der reichen Wüstlinge oder als der Bordellstaat par ex-
cellence betrachtet werden. In diesem Eldorado der Un-
sittlichkeit schien man eine Zeitlang soweit zu sein, diesen
Krebsschaden der Menschheit zu einer förmlichen Staatsanstalt
zu erheben. Ein Seelenkäufer S. N. in Termonde war von
dem Bürgermeister und den Schöffen der Stadt St. Nicolas
(Provinz Ost-Flandern) mit dem Gesuche um Ermächtigung