Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

250 Geselz über die Erwerbung und den Verlust 
dieser Gelegenheit die in Folge der Gründung des deutschen Reichs 
obsolet gewordenen Bestimmungen in § 1 Abs. II, § 8 Abs. 3 und 
§ 16 des Gesetzes für das ganze Reich aufgehoben. 
II. Durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1870 ist die Materie 
erschöpfend geregelt, es sind daher alle Landesgesetze über die Er- 
werbung und den Verlust der Staatsangehörigkeit außer Kraft getreten 
und können neue Landesgesetze über diesen Gegenstand nicht mehr er- 
lassen werden. 
III. Die Hauptbestimmungen des Gesetzes sind folgende: 
1. der verfassungsmäßige Grundsatz, daß die Bundesangehörigkeit 
durch die Angehörigkeit in einem Einzelstaate bedingt sei und mit der 
letzteren erworben und verloren werde, ist im Gesetze beibehalten, zu- 
gleich aber ist 
2. in demselben bestimmt, daß in allen Einzelstaaten die näm- 
lichen Vorschriften über die Erwerbung und den Verlust der Staats- 
angehörigkeit zur Anwendung zu kommen haben, und es sind dem- 
gemäß 
3. die Bedingungen, unker welchen künftig die Staatsangehörig- 
keit in einem Einzelstaate allein begründet oder verloren werden kann, 
im Gesetze vollständig aufgezählt. 
4. das Prinzip, wonach das Indigenat als Zubehör der 
Gemeindeangehörigkeit behandelt und mit dieser erlangt 
wird, ist im Gesetze völlig aufgegeben, und siatt dessen als die 
allein zulässige Form der unmittelbaren d. h. nicht durch Ab- 
stammung, Legitimation oder Verheirathung staktfindenden Erwerb- 
ung des Indigenats ausschließlich die Verleihung durch die 
kompetente Staatsbehörde und die der Verleihung gleichstehende 
Anstellung im öffentlichen Dienste anerkannt. 
5. Bezüglich der Indigenatsverleihung ist ein Unterschied gemacht 
zwischen Personen, welche bereits einem deutschen Staate angehören 
und zwischen Ausländern. Die ersteren haben in der Regel ein Recht, 
die Indigenatsverleihung (Aufnahme) in demjenigen Bundesstaate, 
in welchem sie sich niederlassen, zu verlangen; die Souveränität der 
Einzelstaaten ist also in dieser Hinsicht beschränkt, und sie sind insbe- 
sondere nicht befugt, die Ertheilung der Aufnahme von der vorheri- 
gen Erwerbung der Heimat abhängig zu machen; die durch das Frei-
	        
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