Reservatrechte.
Der Reichstag befaßte sich in der außerordentlichen Session
vom November 1870 mit den Versailler Verträgen. Dabei
nahmen die Bayern zugestandenen Reservatrechte besondere
Aufmerksamkeit in Anspruch. Bayern behielt seine eigene Diplo=
matie, die Verwaltung des Heerwesens, der Post, der Telegraphie,
der Eisenbahnen, seine besondere Besteuerung des Bier= und
Branntweins und nahm keinen Anteil an den Bestimmungen
der neuen deutschen Bundesverfassung über Heimat= und Nieder=
lassungsverhältnisse u. s. w. Unsere Rechtsverhältnisse gegenüber
den Südstaaten waren durch die Verträge von 1866 fest normiert.
Bayern hatte uns bei der Aufrichtung des Deutschen Reiches
nicht als Besiegter gegenüber gestanden, sondern als getreuer
Bundesgenosse, der an den Ehren und Erfolgen des Krieges
vollen Anteil hatte. Es war daher selbstverständlich, daß auf
Bayern nicht irgend ein Druck ausgeübt werden konnte. Wollte
es garnicht in das Deutsche Reich eintreten, dann war niemand
berechtigt, in dieser Beziehung einen Zwang zu üben; es mußte
Bayerns eigene Sache bleiben, zu erwägen, ob es außerhalb des
Reiches allen Eventualitäten der Zukunft gegenüber für seine
Dynastie und seinen Territorialbestand die gleichen Garantien
zu finden vermochte. Das Kabinett von Berlin aber war darauf
angewiesen, das Vertragswerk so rasch als möglich zum Abschlusse
zu bringen, sich also bei dem Erreichbaren zu bescheiden. ⁹²) Ein
⁹²) efr. Dr. H. Robolsky, Der deutsche Reichstag. Berlin, bei Conrad
Skopnik, 1893.
Bismarcks Staatsrecht. 19