92 Das Staatsbürgerrecht. (8. 53.)
nicht die Rechtsfähigkeit besitzen (Art. 30 der Verfassungsurkunde). Uhbrigens findet
auch auf Petitionen i. e. S. die Vorschrift Anwendung, welche der Art. 81, Abs. 2 der
Verfassungsurkunde für alle Arten der Bittschriften und Adressen erteilt hat, daß solche
den Kammern oder einer derselben nicht in Person überreicht werden dürfen. —
Kommunale Körperschaften können als solche das Petitionsrecht ausüben, jedoch nur im
Rahmen des ihnen zustehenden Wirkungskreises; diese Schranke ist ein zwingendes Gebot
der Ordnung im Staate.? Daß auch Behörden als solche, daß ferner Beamte als
einzelne oder in größerer Zahl Petitionen jeder Art stellen können, ist formell rechtlich
nicht zu bezweifeln; ein Verbot nach dieser Richtung würde der Verfassung zuwiderlaufen.
Andererseits kann ebensowenig zweifelhaft sein, daß Form, Inhalt, Art der Behandlung
einer Petition von Behörden oder Beamten Grund zu disziplinarischem Einschreiten bieten
können. Massenpetitionen von Beamten werden vom Standpunkte der Beamtendisziplin
immer als bedenklich angesehen werden müssen, da schon in einer Massenpetition an sich
eine dem Grundgedanken der Beamtenpflicht widersprechende Agitation in den meisten
Fällen zutage treten wird.?
II. Die Geschäftsbehandlung der bei den Häusern des Landtages eingehenden Be-
schwerden und Petitionen ist durch die Geschäftsordnungen geregelt.
der beiden Häuser eine besondere Petitionskommission,
welche sich nicht auf einen Gegenstand be-
Petitionen zur Prüfung überwiesen werden,
Es besteht in jedem
welcher indes nur diejenigen
ziehen, für dessen Beratung eine Fach- oder eine spezielle Kommission vorhanden ist, in
welchem Falle sie dieser Kommission zugeteilt und von dieser erledigt werden. Im
übrigen bestimmen die gegenwärtig bestehenden Geschäftsordnungen in betreff des Gegen-
standes folgendes:
1. Die Geschäftsordnung des Herrenhauses schreibt vor, daß über die eingegangenen
Petitionen von Zeit zu Zeit den Mitgliedern des Hauses ein Verzeichnis zuzustellen
ist, aus welchem der Bittsteller und der Inhalt der Petition, sowie die Kommission,
dazu geben die Differenzen einen Beleg, welche
sich über die von der Staatsregierung aufgestellte
Ansicht erhoben haben, daß in Gemeindeangelegen-
heiten ein Gemeinderat nicht ohne Mitwirkung
des Gemeindevorstandes petitionieren dürfe, vgl.
Stenogr. Ber. der I. K. 1851—52, Bd. II, S.
902, 1033, 1055. Über die Frage, ob den
städrischen Behörden das Recht zustehe, Petitionen
in betreff allgemeiner Staats= und Verfassungs-
angelegenheiten zu beschließen und anzubringen,
was von dem Min. des Inn. verneint worden ist,
vgl. Zirk. Reskr. v. GC. Juni 1863, M. Bl. d.
i. Verw. 1863, S. 118; ogl. den Ber. der
Komm. des Abg. H. für das Gemeindewesen v.
4. Febr. 1865 (Stenogr. Ber. des Abg. H. 1865,
Anl. Bd. IV, Aktenst. Nr. 31, S. 295 ff., und
Drucks. des Abg. H. 1865, Nr. 34) und die
Verhandlung darüber in den Plenarsitzungen vom
8. und 10. März 1865 (Stenogr. Ber. des
Abg. H. 1865, Bd. I, S. 356—371 und S.
381—408). Diese Verhandlungen haben das
Abg. H. zur Annahme einer Resolution veran-
laßt, „daß Ministerialreskripte, welche den Magi-
straten und Stadtverordneten das Petitions= und
Beschwerderecht in öffentlichen Angelegenheiten
untersagen oder beschränken, und die darauf ge-
richteten Exekutivmaßregeln, dem Art. 32 der Verf.
Urk. widerstreiten“ (a. a. O., S. 408). — Vgl.
aber unten Note 2 über die Rechtsauffassung des
O. V. G.
1 Diese Einschränkung des Petitionsrechtes
schließt natürlich nicht aus, daß die Mitglieder
eines Vereins (Art. 30) insgesamt oder in be-
liebiger Anzahl gemeinschaftliche Petitionen ein-
reichen dürfen; sie sollen dazu nur nicht im
Namen des Vereins (unter einem Gesamtnamen)
berechtigt sein.
* So auch grundsätzlich das O. V. G., Entsch.
v. 10. März 1886, Bd. XIII, S. 89 in eingehender
Begründung; übereinstimmend Schwartz, Verf.
Urk. S. 112. Das O. V. G. unterscheidet aber
zwischen Petitionen, deren Inhalt außerhalb
des Wirkungskreises des Petenten liegt und
solchen, deren Inhalt in diesen Wirkungskreis
fällt, weil sie, obwohl Reichs= oder Staats-
angelegenheiten betreffend, doch „in der Besonder-
heit der Verhältnisse der örtlichen Gemeinschaft
ihren Ausgangspunkt, in dem Schutz und der
Förderung dieser Verhältnisse ihr Ziel haben“.
Von hier aus wird die Petition der Stadtver-
ordnetenversammlung einer Seestadt (Stettin)
gegen. Getreidezölle als gerechtfertigt erklärt, a. a.
O. S. 105 ff. Gegen die Argumentation des
O. V. G. erhebt sich das m. E. durchschlagende
Bedenken, daß eine feste Grenzziehung bei jener
Unterscheidung des Inhaltes von Petitionen un-
möglich ist. Das allgemeine Petitionsrecht ist bei
städtischen Organen immer begrenzt durch deren
besonderen Wirkungskreis: eine Petition um Hafen-
erweiterung können die städtischen Organe an die
Volksvertretung richten, eine Petition gegen Ge-
treidezölle nicht, da diese keine städtische Ange-
legenheit sind.
*s Die Frage wurde wiederholt sowohl im
Reichstag wie im preuß. Landtag erörtert.