Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

94 Das Staatsbürgerrecht. 
G. 54.) 
schlossenen Überweisung gefaßten Beschluß desselben zu erfordern. Die Regierung hat 
grundsätzlich diese ihre Verpflichtung anerkannt und genügt ihr durch Vorlage einer Uber- 
sicht über die getroffenen Maßnahmen beim jedesmaligen Wiederzusammentritt der beiden 
Häuser. 
Erster Titel. 
Die Grundpflichten. 
§. 54. 
Die Wehrpflicht. 
A. Grundsätze und Rechtsquellen. 
I. Die bewaffnete Macht bestand seit dem Großen Kurfürsten in Preußen, wie 
in den übrigen europäischen Staaten, in einem stehenden Heere, dessen Mannschaften 
  
1 Die Frage hat mehrmals im Abg. H. zu 
Erörterungen Veranlassung gegeben. In der 
Sitzung v. 12. Febr. 1859 (Stenogr. Ber. 1859, 
Bd. I. S. 149) erklärte der damalige Finanz- 
zustehe“. Daß diese Ansicht nicht gerechtfertigt 
sei, ist indes in zutreffender Weise hauptsächlich 
von dem Abg. Frhrn. v. Vincke (Hagen) gezeigt 
worden. Das Recht der Kammer, von den 
minister v. Patow, „daß, wenn das Haus einen 
Antrag berücksichtigt wissen will, die Staats- 
regierung sich nicht der Verpflichtung entziehen 
könne, demselben Folge zu leisten, oder daß sie 
wenigstens die Gründe, weshalb sie diese Berück- 
sichtigung nicht eintreten lassen kann, in for- 
meller Weise dem Hause vorlegen müsse, obwohl 
ein bestimmter Weg, auf welchem im Falle der 
Nichtberücksichtigung des Antrags die Regierung 
dem Hause gegenüber sich auszusprechen haben 
würde, in der Verf. Urk. und in den Geschäfts- 
ordnungen nicht vorgesehen sei“. Hiermit stehen 
indes die Erklärungen, welche in der Sitzung v. 
6. Febr. 1860 (Stenogr. Ber. 1860, Bd. I, S. 
73—74, 76—77) von dem damaligen M. d. 
Inn., Gr. v. Schwerin, und zwar, wie der- 
selbe bemerkte, nach stattgefundener Beratung im 
Staatsministerium, abgegeben wurden, nicht im 
Einklange. Derselbe sprach sich nämlich dahin aus, 
„daß die Uberweisung einer Petition an die Staats- 
regierung czur Berücksichtigung die Minister 
nur zur gründlichen Prüfung verpflichte, auf deren 
Grund dieselben die Bescheidung des Petitionieren- 
den zu veranlassen, keineswegs aber die Pflicht 
hätten, dem betr. Hause eine Auskunft hierüber 
zu erteilen. Nur in dem Falle, wenn die von 
dem Ministerium zurückgewiesene Petition er- 
neuert werde, sei die Staatsregierung verbunden, 
dem damit anderweitig befaßten Hause die Gründe 
anzugeben, weshalb sie die frühere Petition nicht 
habe berücksichtigen können. Prinzipiell finde jede 
Petition mit dem Ausspruche des Votums des 
Hauses ihre Erledigung und es könne von dem 
Hause nicht das Recht in Anspruch genommen 
werden, von der Staatsregierung Auskunft über 
ihren Beschluß hinsichtlich der überwiesenen 
Petitionen zu fordern. Werde ein solches Recht 
der Kontrolle beansprucht, so liege hierin ein Ein- 
griff in die Exekutive, der über dasjenige hinaus- 
gehe, was in betreff der Petition dem betr. Hause 
  
Ministern eine „Auskunft“ zu verlangen, ist 
keine Ausübung einer Kontrolle und noch viel 
weniger die Anmaßung eines Eingriffs in die 
ausschließliche Befugnis der Staatsregierung zur 
Exekutive. Ganz selbstverständlich ist es, daß 
die Staatsregierung durch die Uberweisung einer 
Petition nicht verpflichtet wird, dem Beschlusse 
des Hauses Folge zu leisten, sondern daß sie 
in dieser Beziehung vollkommen selbständig da- 
steht; allein es liegt in der Natur der Sache, 
daß dem Landtag das Recht zuerkannt werden 
muß, sich zu erkundigen, was infolge der Uber- 
weisung veranlaßt worden ist, und daß schon 
die Rücksicht gebietet, die verlangte Auskunft regel- 
mäßig nicht zu versagen. Daß den Kammern, 
abgesehen hiervon, auch noch anderweitige 
Mittel zur Erreichung des in Rede stehenden 
Zweckes (Interpellation oder besonderer Antrag) 
zu Gebote stehen, kann für die Beurteilung der 
Frage nicht von entscheidendem Einflusse sein, noch 
weniger aber die Erwägung, daß, wenn eine Ge- 
setzwidrigkeit eines Beamten den Gegenstand der 
überwiesenen Petitionen bilden sollte, der Antrag 
gerechtfertigt sein würde, gegen diesen Untersuchung 
und event. Bestrafung eintreten zu lassen, und 
daß — wenn das im Art. 61 der Verf. Urk. 
verheißende Ministerverantwortlichkeitsgesetz be- 
stünde — der betr. Kammer in dem Falle, wenn 
eine Verfassungsverletzung gerügt wäre, das Recht 
zustehen würde, im Wege der Ministeranklage die 
Nichtbefolgung des Beschlusses der Kammer zu 
verfolgen. — Vgl. auch die Verhandlungen über 
die Frage in der Sitzung des Abg. H. v. 25. Juli 
1862 (Stenogr. Ber. 1862, Bd. II, S. 837—841). 
Vagl. Gneist, Verwaltung, Justiz, Rechts- 
weg usw., S. 220 ff.; E. Meier, „Heerdienst- 
pflicht“ in v. Holtzendorffs Rechtslexikon, S. 547 ff.; 
G. Meyer, vLehrbuch des d. St. R., 5. A., S. 743; 
H. Schulze, Preuß. St. R., Bd. I, S. 372 ff.; jetzt 
vor allem die Darstellungen des Reichsstaatsrechts.
	        
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