Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

98 Das Staatsbürgerrecht. (F. 54.) 
gebots, Landwehr zweiten Aufgebots und Landsturm; c) Dienstpflicht im stehenden Heere 
auf die Dauer von fünf Jahren — wovon drei Jahre bei den Fahnen, der Rest in der 
Regel im Beurlaubtenverhältnisse, — siebenjährige, beziehungsweise für diejenigen, welche 
nicht im stehenden Heere gedient haben, zwölfjährige Dienstzeit in der Landwehr ersten 
Aufgebots, sodann siebenjährige Dienstzeit in der Landwehr zweiten Aufgebots, so daß die 
Gesamtdienstpflicht 19 Jahre umfaßte. Der Landsturm sollte aus allen nicht zum Heere 
gehörigen Wehrpflichtigen gebildet werden. Die preußische Regierung hatte indes wieder- 
holt eine Anderung dieser gesetzlichen Bestimmungen, und zwar hauptsächlich in der Rich- 
tung einer Verlängerung der Dienstpflicht im stehenden Heere unter gleichzeitiger Ver- 
kürzung der Dienstpflicht in der Landwehr, erstrebt, ohne jedoch hierzu die Zustimmung 
des preußischen Abgeordnetenhauses erlangen zu können. Die Verfassung des Nord- 
deutschen Bundes hatte demnächst in Art. 59, welcher unverändert in die Reichsver- 
fassung übernommen worden ist, bestimmt, daß jeder wehrfähige Deutsche sieben 
Jahre lang, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebens- 
jahre dem stehenden Heere — und zwar die ersten drei Jahre bei den Fahnen, 
die letzten vier Jahre bei der Reserve — und die folgenden fünf Lebens- 
jahre der Landwehr angehören solle. Die Dauer der Gesamtdienstzeit wurde so- 
mit von neunzehn auf zwölf Jahre herabgesetzt, dagegen die Dienstzeit im stehenden 
Heere einschließlich der Reserve von fünf auf sieben Jahre erhöht. Mit diesen Bestim- 
mungen der Reichsverfassung stand indes das preußische Gesetz v. 3. Sept. 1814 in 
seinen wesentlichen Bestimmungen im Widerspruche, so daß durch die in Art. 61 der Ver- 
fassung vorgeschriebene Einführung desselben im ganzen Bundesgebiete die geeignete Grund- 
lage für die Wehrverfassung des Bundes nicht hätte gewonnen werden können. Die 
Verkündung des Gesetzes v. 3. Sept. 1814 als Gesetz des Bundes ist daher nicht er- 
folgt, sondern das Bundespräsidium legte alsbald, nämlich bereits unterm 4. Sept. 1867, 
dem Bundesrate den Entwurf eines Bundesgesetzes, betreffend die Verpflichtung zum 
Kriegsdienste, vor und der vom Bundesrate beschlossene Gesetzentwurf gelangte sodann 
zur Beratung im ersten ordentlichen Reichstage des Norddeutschen Bundes. Aus dieser 
Beratung ist das Gesetz des Norddeutschen Bundes v. 9. Nov. 1867, betreffend 
die Verpflichtung zum Kriegsdienste, das Wehrgesetz, als Grundlage der heutigen 
deutschen Heeresverfassung hervorgegangen. Dieses, zunächst für den Norddeutschen 
Bund erlassene Gesetz gilt jetzt als Reichsgesetz für den ganzen Umfang des Reichs- 
gebietes. Dasselbe ist indes demnächst in mehreren Beziehungen durch Bestimmungen 
des Reichsmilitärgesetzes v. 2. Mai 1874 und der Reichsgesetze v. G. Mai 1880, 11. Febr. 
1888, 3. Aug. 1893, 25. März 1899, 22. Febr. 1904 und besonders 15. April 1905 
ergänzt und abgeändert worden. 
Der §. 19 des Gesetzes v. 9. Nov. 1867 hatte verordnet, daß die zur Ausführung 
dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen durch besondere Verordnungen erlassen werden 
sollen. Das Reichemilitärgesetz v. 2. Mai 1874, §. 71 und die späteren Militärgesetze 
übertragen sodann sämtlich dem Kaiser, beziehungsweise dem König von Bayern" den 
  
1 Über die vergeblichen Versuche der Staats herzogtümern Baden und Hessen vereinbarten Verf. 
regierung, die Genehmigung des Abgeordneten= des D. Bundes v. 15. Nov. 1870 (B. G. Bl. 
hauses hierzu zu erlangen, val. die Mitteilungen 1870, S. 647), in Württemberg durch den Art. 2, 
in der 2. Aufl. dieses Werkes, Bd. II. Abt. 2, Ziffer 6 des Vertrages zwischen dem Nordd. 
§5. 500, sub II. S. 551 —54, welche setzt nicht Bunde, Baden und Hessen einerseits und Württem- 
mehr von praktischem Interesse sind. berg andererseits, betr. den Beitritt Württembergs 
2 B. G. Bl. 1867, S. 131 ff. — Ugl. den zur Verf. des D. Bundes v. 25. Nov. 1870 (B. 
Entwurf dieses Gesenes nebst Motiven in den G. Bl. 1870, S. 654), in Bayern durch das 
Stenogr. Ber. des Nordd. Reichstages 1867, R. G. v. 24. Nov. 1871 (R. G. Bl. 1871, S. 
Bd. II, Aktenst. Nr. 18, S. 52 ff., den Komm. 
Ber. darüber v. 12. Okt. 1867: ebendas. Aktenst. 
3898 ff.) und in Elsaß-Lothringen durch das R. 
G. v. 23. Jan. 1872 (R. G. Bl. 1872, S. 31). 
Nr. 96, S. 156 ff. und die Verhandlungen dar- Val. §. 2 des R. G. v. 16. April 1871, betr. die 
über in den Sitzungen v. 17., 18. u. 19. Okt. Verf. des D. Reiches (R. G. Bl. 1871, S. 63). 
1367; ebendaf. Bd. I. S. 443495. 4 Bayern hat weitgehende militärrechtliche 
2 Dasselbe wurde in Baden und Südbessen Sonderrechte: ebenso, wenn auch nicht so weit- 
eingeführt durch den Art. 80, Ziffer 1, Nr. 5,] gehend, Württemberg. Außer den beiden 
der zwischen dem Nordd. Bunde und den Groß- süddentschen Königreichen aber hat kein
	        
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