Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Wehrpflicht. (8. 54.) 105 
B. Gliederung des Militärdienstes. 
Die Bestimmungen der Reichsverfassung Art. 59 über die Wehrpflicht haben dann 
ihre nähere Ausführung durch die Reichsgesetzgebung, und zwar insbesondere durch das 
Gesetz v. 9. Nov. 1867 und das Reichsmilitärgesetz v. 2. Mai 1874 nebst dem dieses 
letztere ergänzenden und ändernden Gesetz v. 6. Mai 1880, gefunden. Dazu kommt jetzt 
das Gesetz v. 11. Febr. 1888, welches bereits den Art. 59 der Reichsverfassung dauernd 
abgeändert hatte, ferner aber das hochwichtige Gesetz v. 3. Aug. 1893 — Einführung 
der zweijährigen Dienstzeit — mit Modifikationen erneuert durch Gesetz v. 25. März 
1899 (R. G. B., S. 213), dessen Geltung bis 31. März 1904, jetzt — Gesetz v. 22. Febr. 
1904 (R. G. B., S. 65) — bis 31. März 1905, reicht, endlich das diese Entwick- 
lung abschließende Gesetz v. 15. April 1905 (R. G. B. 249), durch welches 
Art. 59 dauernd im Sinne der zweijährigen Dienstzeit abgeändert ist.7 
I. Die Verpflichtung zum Dienste im stehenden Heere, beziehungsweise in der 
Flotte, beginnt mit dem 1. Januar und zwar in der Regel desjenigen Kalenderjahres, in 
welchem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet 2, und dauert sieben Jahre (Ges. 
v. 9. Nov. 1867, §. 6, Abs. 1). Während dieser sieben Jahre sind die Mannschaften 
die ersten zwei Jahre zum aktiven Dienst verpflichtet, ausgenommen die Mannschaften 
der Kavallerie und reitenden Feldartilleric, für die es bei der dreijährigen aktiven Dienst- 
pflicht bleibt, die aber dafür in der Landwehr ersten Aufgebotes nur drei Jahre zu dienen 
haben; die letztere Vorschrift ist durch das Gesetz v. 25. März 1899, Art. II, aus- 
gedchnt worden auf Mannschaften der Fußtruppen, der fahrenden Feldartillerie und des 
Trains, welche freiwillig drei Jahre aktiven Dienst geleistet haben (jetzt Ges. v. 15. April 
1905, Art. I, Art. II §. 2).3 Die aktive Dienstpflicht in der Marine dauert drei Jahre. 
Eine Erweiterung hat dieser Grundsatz jetzt dahin gefunden, daß der Dienstpflicht auch 
in den in den Kolonien stationierten Schutztruppen genügt werden kann. Die 
näheren Vorschriften hicrüber erläßt der Kaiser. Solche Vorschriften sind bis jetzt nur er- 
gangen für Südwestafrika und für Kiautschou. In letzterer Kolonie kann die Erfüllung 
der Wehrpflicht durch freiwilligen Eintritt in die Marine erfolgen. In Südwestafrika 
können a) Wehrpflichtige freiwillig in die Schutztruppe behufs Ableistung ihrer Dienstpflicht 
eintreten, b) Angehörige des Reichsheeres oder der Marine, die auf ihre Meldung hin in 
die Schutztruppe eingetreten sind, in dieser Form ihre gesetzliche Dienstpflicht erfüllen." 
Die aktive Dienstzeit wird nach dem wirklich erfolgten Dienstantritte mit der Maß- 
gabe berechnet, daß diejenigen Mannschaften, welche in der Zeit v. 2. Okt. bis 31. März 
eingestellt werden, als am vorhergehenden 1. Okt. eingestellt gelten (§. 6, Abs. 3). Die 
  
  
erst im Kriege, sondern schon vorher beim Aus- Vgl. dazu G. v. 3. Aug. 1893 (R. G. B. 
rücken der Armee erfolgen müsse. Es wurde 233) Art. II, §. 1, Abs. 2 (G. v. 25. März 
daher unter Zustimmung der Bundeskommissarien 1899, Art. II) über die Möglichkeit einer aus- 
beschlossen, nach den Worten: „erforderlichen nahmsweisen Verlängerung des aktiven Dienstes 
Falles“ einzuschalten: „bei Mobilmachungen“. durch kaiserliche Anordnung im Falle notwendiger 
(Stenogr. Ber. des Reichstages 1867, Bd. II, Verstärkungen. Bezüglich der aktiven Dienstpflicht 
Aktenst. Nr. 96, S. 157—158). Vgl. jetzt auch der als unsichere Heerespflichtige eingestellten 
für den „Fall notwendiger Verstärkungen" G. v. Mannschaften vgl. §. 33 des Reichsmilitärgesetzes, 
15. April 1905, Art. II, §. 1. Wehrordnung, §. 7, Z. 2. Die Zeit einer Frei- 
1 S. hierüber Laband, Bd. IV, S. 127. heitsstrafe von mehr als 6 Wochen wird auf die 
* Der Wortlaut des Abs. 1 des §s. 6 des G. pgesetzliche Dienstzeit im stehenden Heere nicht ein- 
v. 9. Nov. 1867 steht mit der demselben zu= gerechnet (§. 18 des Militärstrafgesetzbuches). Vgl. 
grunde liegenden Bestimmung im ersten Satze §. 62, Abs. 3 des Reichsmilitärgesetzes; Wehr- 
des Art. 59 der Reichsverf. im Widerspruche, der ordnung, §. 7, Z. 3. Bezüglich der aktiven 
jedoch praktisch fast gegenstandslos wird, weil die Dienstpflicht ehemaliger Zöglinge militärischer 
im Laufe eines Jahres für das aktive Heer aus= Institute vgl. Wehrordnung, §. 10. 
gehobenen Militärpflichtigen in der Regel erst im Schutzgebietsgesetz §. 18, dazu kais. Verordn. 
letzten Quartale desselben Jahres in das Heerv. 30. März 1897, §F. 1, 2 (R. G. B. 167), G. 
eingestellt werden. (Vgl. den Komm. Ber. v. v# 25. Juni 1902 (R. G. Bl. S. 237), für 
12. Okt. 1867 zum §. 6 des Entw. in den Riantschon Marineverordnungsblatt 1899, Nr. 5, 
Stenogr. Ber. des Reichstages 1867, Bd. II, 3. Anh. Vgl. Zorn, Rolonialgesetzgebung, S. 
Aktenst. Nr. 96, S. 158: Laband, Bd. IVU.173 ff.; Köbner in Holtzendorff-Kohlers Rechts- 
S. 154, N. 2.) Enzyklopädie Bd. II. S. 1107 ff. 
 
	        
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