Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

116 Das Staatsbürgerrecht. (8. 54.) 
nach erfolgter Zurückstellung den ihnen bestimmten Zeitpunkt zum Dienstantritt verstreichen 
lassen, ohne sich zu stellen (Wehrordnung, §. 93, Ziff. 8). 
4. Das Reichsmilitärgesetz v. 2. Mai 1874 hat im §. 14, Abs. 31 bestimmt, 
daß ein „Gesetz“ die Vorbedingungen regeln werde, welche zum einjährig-freiwilligen 
Dienste berechtigen.. Dieses Gesetz ist bis jetzt nicht ergangen; die betreffenden regle- 
mentarischen Vorschriften sind in der Wehrordnung enthalten, welche darüber folgende 
Bestimmungen getroffen hat: 
a) Die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst wird in erster Linie erworben 
durch die Zurücklegung eines besonderen Bildungsganges, s. hierüber unten d, zu dd und 
S. 117. 
b) Außerdem besteht für Bezirke von gewisser Größe (in Preußen in der Regel für 
jeden Regierungsbezirk) eine Kommission unter dem Namen: „Prüfungskommission für 
Einjährig-Freiwillige.“ Diese Kommissionen sind dazu bestimmt, über die Ansprüche auf 
die Berechtigung zum einjährigen Dienste nach vorgängiger Prüfung zu entscheiden (Wehr- 
ordnung, F§. 2, Ziff. 7). 
c) Die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienste wird durch Erteilung eines 
Berechtigungsscheines zuerkannt, welcher von der Prüfungskommission für Einjährig- 
Freiwillige erteilt wird (§. 88, Ziff. 1 u. 2 a. a. O.) und zwar sowohl an diejenigen, die 
auf Grund eines bestimmten Bildungsganges, wie an diejenigen, welche auf Grund der 
besonderen Prüfung berechtigt sind; junge Seeleute können Üüberdies die Berechtigung durch 
Ablegung der Steuermannsprüfung erwerben (§. 88, Ziff. 3). 
d) Die Berechtigung darf im allgemeinen nicht vor vollendetem 17. Lebensjahre? 
nachgesucht werden. Der Nachweis derselben ist bei Verlust des Anrechtes spätestens bis 
zum 1. April des ersten Militärpflichtjahres zu erbringen (8. 89, Ziff. 1). Die Berech- 
tigung wird bei derjenigen Prüfungskommission nachgesucht, in deren Bezirk der Wehr- 
pflichtige gestellungspflichtig ist (ebendas. Ziff. 2). Bei dieser Prüfungskommission muß 
der Betreffende sich spätestens bis zum 1. Febr. des ersten Militärpflichtjahres schriftlich 
melden und der Meldung beifügen: aa) ein Geburtsattest; bb) ein Einwilligungszeugnis 
des Vaters oder Vormundes mit der (jedoch bei Freiwilligen der seemännischen Bevölke- 
rung, wenn sie in der Flotte dienen wollen, nicht erforderlichen) Erklärung über die Be- 
reitwilligkeit und Fähigkeit, den Freiwilligen während einer einjährigen aktiven Dienstzeit 
zu bekleiden, auszurüsten und zu verpflegen; cc) ein Unbescholtenheitszeugnis, welches für 
Zöglinge von höheren Schulen durch den Direktor der Lehranstalt, für alle übrigen jungen 
Leute durch die Polizeiobrigkeit oder ihre vorgesetzte Dienstbehörde auszustellen ist (ebendas. 
Ziff. 3). Außerdem ist dd) die wissenschaftliche Voraussetzung nachzuweisen, was ent- 
weder durch Beibringung von Schulzeugnissen oder durch Ablegung einer Prüfung vor 
der Prüfungskommission geschehen kann (ebendas. Ziff. 4). Der Meldung find daher 
entweder die Schulzeugnisse, durch welche die wissenschaftliche Befähigung nachgewiesen 
ist, beizufügen, beziehungsweise bis 1. April nachzuliefern, oder es ist in der Meldung 
das Gesuch um Zulassung zur Prüfung auszusprechen und hierbei zugleich anzugeben, 
  
zum Dienstantritte, daß sie moralisch nicht mehr Kosten zu bekleiden und zu verpflegen. (Bgl. 
würdig sind (§. 93, Ziff. 90, als Einjährig-Frei-Fdie Motive zum §. 45 des Entw. des Reichs- 
militärgesetzes, Stenogr. Ber. des Reichstages 
1874, Bd. III, Aktenst. Nr. 9, S. 55.) 
1 Diese Bestimmung ist auch in den Art. II, 
§. 14, Abs. 3 des R. G. v. 6. Mai 1880 wört- 
lich übernommen worden. 
Diese Bestimmung ist durch Beschluß des 
Reichstages in das Gesetz ausgenommen worden 
und aus den Verhandlungen darüber ergibt sich, 
daß die gesetzliche Regelung erst nach Umgestal- 
tung des höheren Unterrichtewesens erfolgen soll 
(Stenogr. Ber. des Reichstages 1874, Bd. II, 
S. S0O—S10. 
* G. v. 9. Nov. 1867, §. 10. Ansnahme 
Wehrordnung, §. 89, Ziff. 1. 
willige zu dienen, so wird ihnen der Berechtigungs- 
schein abgenommen und dem Generalkommando 
mit bezüglichem Berichte eingereicht. Dieses tritt 
mit der Zivilbehörde dritter Instanz, in deren 
Bezirk der Freiwillige gestellungeyftichtig ist, 
bezw. sein würde, wenn er sich bereits in militär- 
pflichtigem Alter befände, in Verbindung. Wird 
die Berechtigung entzogen, so ist zugleich über 
die eventuelle sofortige Einstellung zum gewöhn- 
lichen Dienste Bestimmung zu treffen. (Wehr- 
ordnung, §. 94, Ziff. 97. Mit dem Zeitpunkte, in 
welchem die Einjährig= Freiwilligen den Anspruch 
auf Entlassung nach einfährigem Dienst verlieren, 
erlischt auch ihre Verpflichtung, sich auf eigene 
 
	        
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