Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Wehrpflicht. (8. 54.) 119 
oder als Unterroßarzt abgeleistet.1 Mediziner, welche in das Sanitätskorps aufgenommen 
zu werden wünschen, dienen ein halbes Jahr mit der Waffe und nach erlangter Appro- 
bation als Arzt ein halbes Jahr als Unterarzt? (Heerordnung, §. 22. 
8. Der einjährig-freiwillige Dienst bildet die Grundlage für Be- 
reitstellung der für die Kriegsformationen erforderlichen Offiziere. Dem- 
gemäß ist die militärische Ausbildung dieser Freiwilligen eine besondere. Nach Beförde- 
rung zum Unteroffizier erfolgt nämlich noch während des Dienstjahres die Ausbildung 
zum Offizier; hierüber ist am Schlusse des Dienstjahres eine Prüfung abzulegen, auf 
Grund deren eventuell die Qualifikation zum Offizier erteilt wird. Nach Entlassung 
aus dem aktiven Dienst dauert bei diesen Freiwilligen die Reservepflicht sechs Jahre, 
die Landwehrpflicht ist die gewöhnliche. Eine Modifikation erfährt diese Pflicht durch 
die Ernennung zum Offizier, welche nach einer besonderen achtwöchigen Übung 
unter Zustimmung des betreffenden Kommandeurs nach stattgehabter Wahl der Offiziere 
des Landwehrbataillons (bei Einberufenen des Truppenteiles) durch den Kontingentsherrn 
erfolgt, nachdem der zu Befördernde ausdrücklich seine Zustimmung erklärt hat (Wehrgesetz, 
§. 11/. Juristisch ist dieser Dienst an sich lediglich Erfüllung der gesetzlichen Reserve- 
und Landwehrpflicht; nur die besondere Art der Erfüllung dieser Pflicht im Offiziers= 
verhältnis beruht auf Freiwilligkeit; dazu gehören auch die besonderen Übungen, die schrift- 
lich zugesichert werden müssen.? Außer den vorgeschriebenen Üübungen haben die Reserve= und 
Landwehroffiziere noch die allgemeinen Pflichten und diejenigen hinsichtlich der Kontroll= 
versammlungen in besonders geordneter Weise zu erfüllen (Wehrgesetz, §. 12; Wehrordnung, 
§. 114, Ziff. 10). Die Versetzung zur Landwehr kann bei Einverständnis des Offiziers und 
seines Truppenteiles unterbleiben; die Versetzung zur Landwehr zweiten Aufgebotes und zum 
Landsturm erfolgt auf Grund eines formellen Abschiedsgesuches. Im Kriege erfolgt 
die Verwendung auch der Landwehroffiziere lediglich nach dem militürischen 
Bedürfnis (Wehrgesetz, §. 12). In Rang= und Dienstverhältnissen stehen die Offiziere 
des Beurlaubtenstandes im übrigen den aktiven Offizieren vollkommen gleich, haben ins- 
besondere alle Standesrechte und Standespflichten der Offiziere. Bei Wohnungswechsel 
verbleiben Offiziere des Beurlaubtenstandes, falls nicht formelle Versetzung erfolgt, in 
ihrem bisherigen Truppenteil, also auch Kontingent. Die näheren Vorschriften s. in der 
Heer= und in der Marinecordnung. 
IV. Außer den Vorschriften über den von besonderen Voraussetzungen abhängigen 
einjährig-freiwilligen Dienst bestehen jedoch auch noch Sondervorschriften über den frei- 
willigen Eintritt in das Heer oder die Flotte überhaupt (s. Wehrordnung, §§. 84 
—87, zu §F. 84 eine Ergänzung Z. Bl. 1904, S. 79). Obgleich nach der Bestimmung 
des Art. 59 der Reichsverfassung und des §. 6, Abs. 1 des Gesetzes v. 9. Nov. 1867 
die Verpflichtung zum Dienste im stehenden Heere, beziehungsweise in der Flotte erst mit 
dem vollendeten 20. Lebensjahre des Wehrpflichtigen beginnt, so ist es doch gestattet, der 
Verpflichtung schon früher freiwillig zu genügen. Der §. 10 des Gesetzes v. 9. Nov. 
1867 bestimmt nämlich, daß es, um im allgemeinen wissenschaftliche und gewerbliche 
Ausbildung so wenig wie möglich durch die allgemeine Wehrpflicht zu stören, jedem 
jungen Mann überlassen sein soll, schon nach vollendetem 17. Lebensjahre, wenn er die 
nötige moralische und körperliche Qualifikation hat, freiwillig in den Militärdienst von 
Heer oder Flotte einzutreten."“ Demzufolge haben, abgesehen davon, daß dieses Recht 
demjenigen zusteht, welchem die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienste zugestanden 
  
1 Die näheren Bestimmungen hierüber in der korps, §. 5 (Armeeverordnungsblatt 1873, 
Heerordnung. 
: Die näheren Bestimmungen hierüber vgl. in 
der Wehrordnung, §. 21, in der Bekanntmachung 
des Reichskanzlers und des preuß. Kriegsmin. 
für d. D. R., 
S. 334; M. Bl. d. i. Verw. 1874, S. 137, 
Nr. 160) und in der Verordnung v. 6. Febr. 
Sanitäts- 
v. 21. Okt. 1873 (Z. Bl. 
1873 über die Organisation des 
  
S. 106). 
* Vgl. Laband, Bd. IV, S. 175, 176, N. 2. 
4 Wehrpflichtige, welche freiwillig in das stehende 
Heer oder die Flotte treten, sind der Aus- 
hebung nicht mehr unterworfen, werden also 
überhaupt nicht „militärpflichtig" im juristischen 
Sinne des Wortes. Vgl. Reichsmilitärgesetz v. 
2. Mai 1874. &. 10, und Wehrordnung, 6. 21.
	        
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