124 Das Staatsbürgerrecht. (8. 54.)
c) Zur Entscheidung über gewisse Fragen (Wehrordnung, §. 64, Ziff. 5; §. 71,
Ziff. 3) treten den ständigen Mitgliedern der Ersatz= und Oberersatzkommission andere Mit-
glieder hinzu, welche aus den Bezirkseingesessenen von Kommunal= oder Landesvertretungen
gewählt, oder wo solche Vertretungen nicht vorhanden sind, von der Landesverwaltungs-
behörde ernannt werden. Es sollen hiernach bestehen: die verstärkte Ersatzkommission,
zu welcher neben den ständigen Mitgliedern noch ein Offizier und vier bürgerliche Mit-
glieder gehören; die verstärkte Oberersatzkommission, für welche zu den ständigen
Mitgliedern ein bürgerliches Mitglied noch hinzutritt. Die bürgerlichen Mitglieder wer-
den auf drei Jahre gewählt, beziehungsweise ernannt.
d) Die „Grundsätze für Entscheidungen über Militärpflichtige“ enthält auf der
Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen in sehr feingegliederter Weise der IV. Abschnitt
der Wehrordnung (8§. 28—43). Die Entscheidungen sind entweder vorläufige, nämlich
Zurückstellungen, oder endgültige, nämlich: 1. Ausschließung; 2. Ausmusterung; 3. Uber-
weisung zum Landsturm ersten Aufgebotes; 4. Überweisung zur Ersatzreserve; 5. Aushebung.
Die Mitglieder der Ersatzbehörden haben gleiches Stimmrecht; ihre Beschlüsse werden
mit Stimmenmehrheit gefaßt. Wo nur die ständigen Mitglieder an der Beschlußfassung
teilnehmen, ist bei Meinungsverschiedenheit die Angelegenheit der nächst höheren Instanz
zur Entscheidung vorzulegen. Für unaufschiebbare vorläufige Maßregeln ist bei der Er-
satzkommission die Stimme des Zivilmitgliedes, bei der Oberersatzkommission die Stimme
des militärischen Mitgliedes maßgebend. Desgleichen entscheidet bei der Oberersatzkom-
mission die Stimme des militärischen Mitgliedes über die körperliche Brauchbarkeit der
Militärpflichtigen und die Verteilung der ausgehobenen Mannschaften und Ersatzreservisten
auf die verschiedenen Waffengattungen und Truppenteile 1 (S. 30, Ziff. 5 a. a. O.;
Wehrordnung, §. 71, Ziff. 2).
Bei dem Verfahren vor den Ersatzbehörden sind die Beteiligten berechtigt, ihre An-
träge durch Vorlegung von Urkunden und Stellung von Zeugen und Sachverständigen
zu unterstützen (§. 30, Ziff. 6 a. a. O.; Wehrordnung, §. 63).
Die Ersatzkommission arbeitet der Oberersatzkommission vor. Ihre Aufgabe ist vor-
züglich die Musterung (s. unten llI, ferner Wehrordnung, §. 63 ff.). Sie verfügt die nach
dem Gesetze zulässigen Zurückstellungen der Militärpflichtigen. Im übrigen unterliegen
ihre Beschlüsse der Revision und endgültigen Entscheidung der Oberersatzkommission (Wehr-
ordnung, §. 2, Ziff. 8; §. 71, Ziff. 6). Gegen Entscheidungen der Ersatzkommission über
die Klassifikation der Mannschaften der Reserve, der Landwehr und der Ersatzreserve steht
dem ständigen militärischen Mitgliede die Erhebung des Einspruches zu, in welchem Falle
die endgültige Entscheidung lediglich durch die ständigen Mitglieder der Oberersatzkommission
erfolgt (§. 30, Ziff. 7 a. a. O.). Die verstärkte Ersatzkommission entscheidet über:
1. Anträge auf Zurückstellung von der Aushebung wegen bürgerlicher Verhältnisse
(Wehrordnung, §§. 32 u. 33), mit Ausnahme der Anträge auf Zurückstellung
1 Über die Geschäftsordnung und die Ent-die natürliche libung jedes Mitglied nach
scheidung der Ersatzkommission vgl. Wehrordnung, der Art seiner Beschäftigung vorwiegend nach
§§. 64 u. 65, deogl. der Oberersatzkommission, der Richtung seines Berufes neigt. Überdies
ebendas. §s§. 71 u. 731. Der Berichterstatter ist Rücksicht genommen in der Verteilung der
Lasker bemerkte über die Zusammensetzung der Geschäfte, daß überall das militärische Interesse
Ersatzbehörden: „Uverall ist der Grundsan ge genügend gewahrt und nötigenfalls auch for-
wahrt, daß bei den einzelnen Behörden ein bürger= mell die Wahrung des militärischen Interesses
liches Element beigemischt sein muß, welches die dem militärischen Mitgliede anvertraut wird“.
Interessen der bürgerlichen Gesellschaft wahrnimmt (Stenogr. Ber. des Reichstages, 1874, Bd. II,
gegenüber der militärischen Verwaltung, wo diese S. 861.)
beiden Seiten, des Falles zu einer gesonderten : Die Worte: „Im übrigen usw.“, besagen:
Beurteilung kommen. Freilich ist es nicht unsere „Ubrigens unterliegen alle, auch die nach dem
Anschanung, das militärische Muglied als den= Vorhergehenden gefaßten Beschlüsse der Revision
jenigen zu betrachten, welcher einseitig die Inter--F und endgültigen Cntscheidung der Oberersatz=
essen der Mulilärverwaltung, und das bürger- kommission“. Seydel (in Hirthe Ann., Jahrg.
liche Mitglied als denjenigen zu betrachten, welcher 1875, S. 145½ bemerkt daher mit Recht, daß
einseitig die Interessen der bürgerlichen Ver die Ersatzkommission also nicht eigentliche In-
waltung wahrzunehmen hat; wir glauben jedoch, 1 stanz sei.
daß sowohl durch Sachverständnis, wie durch 3 S. hierüber S. 111.