130 Das Staatsbürgerrecht. (§. 54.)
(Reichsmilitärges., §. 19, ausführliche Anweisung hierüber Wehrordnung, §. 33).1 Die
Zurückstellung erfolgt in der Regel nur für das laufende, ausnahmsweise bis zum dritten,
behufs ungestörter Berufsausbildung und wegen zeitiger Ausschließungsgründe selbst bis
zum fünften Militärpflichtjahre.. Nach den Bestimmungen des. §. 20 a. a. O. können
zurückgestellt und falls sie nicht nach ihrer Losnummer zu den Überzähligen eines Jahr-
ganges gehören, für das nächste Jahr vorgemerkt werden?:
a) die einzigen Ernährer hilfloser Familien, erwerbsunfähiger Eltern, Großeltern?
oder Geschwister;
b) der Sohn eines zur Arbeit und Aussicht unfähigen Gutsbesitzers, Pächters oder
Gewerbetreibenden, wenn dieser Sohn dessen einzige und unentbehrliche Stütze zur wirt-
schaftlichen? Erhaltung des Besitzes, der Pachtung oder des Gewerbes ist;
IP) der nächstälteste Bruder eines vor dem Feinde gebliebenen, oder an den erhaltenen
Wunden gestorbenen, oder infolge derselben erwerbsunfähig gewordenen, oder im Kriege
an Krankheit gestorbenen Soldaten, sofern durch die Zurückstellung den Angehörigen des
letzteren eine wesentliche Erleichterung gewährt werden kann";
d) Militärpflichtige, welchen der Besitz oder die Pachtung von Grundstücken durch
Erbfchaft oder Vermächtnis zugefallen, sofern ihr Lebensunterhalt auf deren Bewirt-
schaftung angewiesen und die wirtschaftliche Erhaltung des Besitzes oder der Pachtung
auf andere Weise nicht zu ermöglichen ist;
e) Inhaber von Fabriken und anderen gewerblichen Anlagen, in welchen mehrere
Arbeiter beschäftigt sind, sofern der Betrieb ihnen erst innerhalb des dem Militärpflicht-
jahre vorangehenden Jahres durch Erbschaft oder Vermächtnis zugefallen, und deren
wirtschaftliche Erhaltung auf andere Weise nicht möglich ist; auf Inhaber von Handels-
häusern entsprechenden Umfanges findet diese Vorschrift sinngemäße Anwendung!;
1 Der Berichterstatter Lasker bemerkte hierzu,! Freiwilliger s. S. 115, N. 2 und Wehrordnung
daß die Kommission des Reichstages davon aus- §. 29, Ziff. 7, §. 32, Ziff. 5 u.
gegangen sei, daß, wo es sich um Begünstigungs- 3 Vgl. Wehrordnung, 8. 32.
gründe allgemeiner Natur handelt, die Würdigung Der Berichterstatter Lasker erläuterte namene
der Gesuche streng an die vom Gesetze festge= der Kommission, daß unter „Großeltern“ selbst
stellten Normen gebunden sei, und daß insbe= verständlich die Urgroßeltern mitzuverstehen seien,
sondere keine verordnungsmäßige Befugnis be= und daß, wenn von „erwerbsunfähigen“ Eltern
stehe, neben den gesetzlichen noch weitere allge= die Rede ist, nicht gemeint sei, daß die Eltern
meine Begünstigungsgründe festzustellen (Stenogr. absolut erwerb#unfähig sein müssen, sondern daß
Ber. des Reichstages 1874, Bd. II. S. 853. uch solche dahin zu zählen seien, die nicht imstande
Sp. 1). Es ist aber auch bei der Beurteilung sind, sich ihren vollen Nahrungsunterhalt selb-
von Gesuchen, welche auf gesetzliche Begünstigungs= ständig zu verschaffen, obschon sie einige Beiträge
gründe gestützt sind, daran festzuhalten, „daß durch ihren Erwerb sich verschaffen können. 9
solche Verhältnisse, welche durch freie Entschließung sei Sache der tatsächlichen Feststellung, im ein-
der Militärpflichtigen herbeigeführt sind, z. B. zelnen Falle zu beurteilen, wo die Erwerbsun-
Ankauf von Grundstücken, Errichtung eines Ge= fsähigkeit im Sinne dieses Gesetzes anfängt. Ge
schäftes, Eheschließung, einen Anspruch auf Be= meint sei die Regel, daß die Personen nicht im
rücksichiigung nicht begründen können". Vgl. die stande sein würden, sich den vollen Lebensunter
Motive zu den §§. 19—22 des Entw. des Reichs= halt zu verschaffen Stenogr= Ber. des Reichs-
militargeseter, Stenogr. Ber des Reichstages 1874, tages 1874, Bd. II, S. 853).
Bd. III, Aktenst. Nr. 9, S. 52; ferner jetzt die 5 Das Wort: „wir#schaftlichen ist vom Reichs.
eingehenden Vorschriften Wehrerdnung, §. 33 tage eingeschaltet worden, um den Irrtum aus-
(Fassung v. 25. März 1904, Z. Vl. S. 867; in zuschließen, daß die Substanzerhaltung des Be-
Anl. 5 ist der zit. Verordn. reine Zusammen= sitzes in Gesahr stehen müsse, wenn eine Berück-
stellung der für die Zurückstellung der in den sichtigung eintreten soll. Vgl. Stenogr. Ber.
Kolonien und im Auslande lebenden Militär- des Reichstages 1874, Bd. II, S. 850, Sp. 2.
pflichtigen zuständigen Behörden beigegeben (Z. Bl., * Diese Bestimmung findet keine Anwendung
S. 98 ff.). Im RKriege haben vorläufige Zurück auf solche Fälle, wo Soldaten infolge einer im
stellungen, welche infolge von Reklamationen Kriege eingetretenen Krankheit nachträglich ge-
seitene der Ersatzkommissionen ausgesprochen wur= storben sind. Vgl. Stenogr. Ber. a. a. O.
den, nur so lange Gültigkeit, als der Bedarf an 7 In dem Falle der Nr. d sind die Bedürf-
Mannschaften anderweitig gedeckt werden kann nisse der Person und nicht anderweitige Wirt-
(Wehrordnung, §. 100). schaftsverhältuisse maßgebend; dagegen sind in
Reichemilitargesetz, §§. 18, 20, 21; MWehr- Nr. c allein die wirtschaftlichen
ordnung, §§5. 29, 33. Uber Zurücksiellung auf Verhältnisse matßgebend, und deshalb ist ent-
Grund des Berechtigungsscheines als Einjährig- scheidend nicht die Frage, ob die betreffenden Per-