Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Wehrpflicht. (S. 54.) 131 
1) Militärpflichtige, welche in der Vorbereitung zu einem Lebensberufe oder in der 
Erlernung einer Kunst oder eines Gewerbes begriffen sind und durch eine Unterbrechung 
bedeutenden Nachteil erleiden würden!; 
8) Militärpflichtige, welche ihren dauernden Aufenthalt im Auslande oder in den 
Kolonien — hier sind die Gouverneure zuständig — (Wehrordnung, §. 33, Z. 10, 
Abs. 3) haben?; 
h) können zwei arbeitsfähige Ernährer hilfloser Familien, erwerbsunfähiger Eltern, 
Großeltern oder Geschwister nicht gleichzeitig entbehrt werden, so ist einer von ihnen 
zurückzustellen, bis der andere entlassen wird; spätestens nach Ablauf des zweiten 
Militärpflichtjahres soll der einstweilen Zurückgestellte eingestellt und gleichzeitig der zuerst 
Eingestellte entlassen werden. Diese Bestimmung findet auf den Fall zu b) entsprechende 
Anwendung. 
Militärpflichtige, welchen die vorstehend unter a bis e aufgeführten Berücksfichti- 
gungsgründe auch im dritten Dienstpflichtjahre noch zur Seite stehen, werden der Er- 
satzreserve überwiesen. Ein Berücksichtigter, der sich der Erfitllung des Zweckes ent- 
zieht, welcher seine Befreiung vom Militärdienste herbeigeführt hat, kann vor Ablauf des 
Jahres, in welchem er das 25. Lebensjahr vollendet, nachträglich ausgehoben werden? 
„Reichsmilitärges., §. 21). 
VIII. Die ausnahmsweise Zurückstellung Militärpflichtiger vom Dienst im Frieden kann 
außerdem durch die dritte Instanz für Ersatzangelegenheiten bis zum dritten Militärpflicht 
jahre verfügt werden, wenn in einzelnen Fällen besondere in dem Reichsmilitärgesetze nicht 
ausdrücklich vorgesehene Billigkeitsgriinde die Zurückstellung rechtfertigen; endlich kann in 
ganz besonderen Fällen auch noch die Ministerialinstanz zurückstellen gemäß Wehrordnung, 
§. 29, Z. 7, Abs. 2; die Zurüickstellung oder Befreiung ganzer Berufsklassen auf Grund 
dieser Bestimmung ist indes unzulässig (J§. 22, Abs. 1 a. a. O.; Ges. v. 11. Febr. 1888, 
Art. II, §. 10; Wehrordnung, §. 29, Z. 70. Durch Verheiratung eines Militärpflichtigen 
können Ansprüche auf Zurüickstellung nicht begründet werden (§. 22, Abs. 2 a. a. O.). 
Zu diesen Sondervorschriften tritt noch kraft des Gesetzes v. 8. Febr. 1890 
(R. G. B., S. 23) die nachfolgende allgemeine Vorschrift bezüglich der Studierenden 
der katholischen Theologies: Militärpflichtige römisch-katholischer Konfession, die 
sich dem Studium der Theologie widmen, können in Friedenszeiten während der Dauer 
dieses Studiums bis zum 1. April des siebenten Militärjahres zurückgestellt werden und 
sind, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt die Subdiakonatsweihe empfangen haben, der Er- 
satzreserve zu überweisen und von lbungen freizulassen. 
IX. Nach Eintritt einer Mobilmachung verlieren alle Zurückstellungen 
ipso jure ihre Gültigkeit (Wehrordnung, §. 29, Z. 8), können jedoch eventuell 
neuerdings ausgesprochen werden. 
  
sonen aus den Fabriken und Etablissements sich 
ernähren, sondern nur der Umstand, ob diese eine 
größere Zahl von Personen beschäftigen, welche 
33, Ziff. 9). 
Navigations= und 
Bevölkerung (Wehrordnung, §. 
Ebenso den Besuchern von 
Schiffbauschulen. 
beschäftigungslos werden, wenn der Leiter des 
Unternehmens sofort eingezogen wird. Deshalb 
ist der Nr. e die Einschränkung eingefügt, „so- 
fern der Betrieb desselben ihnen zugefallen ist 
innerhalb des dem Militärpflichtjahre vorangehen- 
den Jahres“, weil angenommen wird, daß, wenn 
der Erwerb der Fabrik früher stattgefunden hat, 
es eine Nachlässigkeit der leitenden Person ist, 
wenn sie nicht bis dahin einen Stellvertreter be- 
schafft hat. Vgl. Stenogr. Ber. a. a. O. 
1 Diese Begünstigung — für b u. e bis zum 
4. Militärpflichtjahre — kann auch gewährt werden: 
a) Handwerksburschen, wenn dieselben im Inter- 
esse ihrer gewerblichen Verhältnisse zu wandern 
beabsichtigen; b) den schiffahrttreibenden Militär- 
pflichtigen der Landbevölkerung; c) allen Militär- 
Ppflichtigen der seemännischen und halbseemännischen 
  
2 Die Zurücckstellung dieser Militärpflichtigen 
darf bis zu dem in ihrem dritten Militärpflicht- 
jahre stattfindenden Aushebungsgeschäfte ausgedehnt 
werden (Wehrordnung, §. 33, Ziff. 10). 
Die nachträgliche Aushebung ist nur dann 
zulässig, wenn der Befreite sich absichtlich der 
noch fortbestehenden Verpflichtung entzieht, nicht 
aber, wenn er durch andere Verhältnisse, z. B. 
Tod der zu Unterstünenden usw. der Verpflichtung 
ohne sein Zutun enthoben wird. Vgl. Stenogr. 
Ber. des Reichstages 1874, Bd. II, S. 460, 
Sp. 2 
1 Anderweitige Befreiungen der Theologen 
vom Militärdienste in Berücksichtigung ihres Be- 
rufes dürfen nicht von der Ersatzbehörde dritter 
Instanz, sondern nur in der Ministerialinstanz 
ausnahmsweise bewilligt werden. 
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