Die Wehrpflicht. (8. 54.) 133
III. Die Ersatzreservisten sind im Frieden zur Ableistung von drei Übungen von
zehn, sechs und vier Wochen verpflichtet, jedoch dürfen sie nur in derjenigen Zahl ein-
berufen werden, die das alljährliche Reichshaushaltsgesetz bestimmt (§. 13); die Ein-
berufung erfolgt durch die Landwehrbezirkskommandeure nach Maßgabe der vom General-
kommando getroffenen Anordnungen. 1 Nicht einberufen werden sollen Personen, die
durch Ordination oder Priesterweihe dem geistlichen Stande angehören, sowie in der
Regel? diejenigen, die das 32. Lebensjahr überschritten haben (§. 13, Abs. 6; §. 14).
Die Oberersatzkommission bezeichnet außerdem diejenigen der Ersatzreserve überwiesenen,
bedingt tauglichen Mannschaften, welche zu Ubungen im Frieden wegen bürgerlicher Ver-
hältnisse nicht einberufen werden sollen (Wehrordnung §. 73, Z. 1, Abs. 2). Während
der Einberufung gehören die Ersatzreservisten dem aktiven Heere an. Die Kontrolle erfolgt
in gleicher Weise wie für die Landwehr ersten Aufgebotes. Zurückstellungen können auch
bei der Ersatzreserve nach den für Reserve und Landwehr geltenden Bestimmungen er-
folgen, doch darf die Zahl der wegen häuslicher und gewerblicher Verhältnisse hinter die
letzte Jahresklasse Zurückgestellten in keinem Aushebungsbezirk mehr als fünf Prozent
aller dort vorhandenen Ersatzreservisten betragen (§. 16).
IV. Die Ersatzreservepflicht dauert zwölf Jahre, vom 1. Oktober des ersten Militär-
pflichtjahres ab; danach treten die ausgebildeten Ersatzreservisten zur Landwehr zweiten
Aufgebotes, die übrigen zum Landsturm ersten Aufgebotes über, die Marineersatzreservisten
nach ihrem Alter zur Marinereserve oder Seewehr ersten Aufgebotes, beziehungsweise zum
Landsturm ersten Aufgebotes (8§. 15, 22); während der Mobilmachung oder der Ubungs-
zeit findet kein Übertritt statt (§. 17). Mannschaften der Ersatzreserve, welche bei Mobil-
machung des Heeres oder bei Bildung von Ersatztruppenteilen zum Dienste einberufen
und bei Zurückführung des Heeres auf den Friedensfuß wieder entlassen werden, treten,
wenn sie militärisch ausgebildet sind, je nach ihrem Lebensalter zur Reserve oder Land-
wehr über, wenn sie aber diese Ausbildung nicht erlangt haben, in die Ersatzreserve
zurück (§. 50, Abs. 2 a. a. O.; Wehrordnung, §. 13, Z. 8, 9, Ges. v. 11. Febr. 1888,
Art. II, §. 187, analog für die Marineersatzreserve, 8. 22, Z. 3).
F. Der Landsturm.
(Ges. v. 11. Febr. 1888, §§. 23—34, in Aufhebung des Ges. v. 12. Febr. 1875;
dazu Wehrordnung, §§. 100—104, 120 u. 121.)
I. Dem Landsturm gehören alle Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis 45. Lebens-
jahre an, wenn sie nicht dem Heer oder der Marine angehören (§. 24). „Der Land-
sturm hat die Pflicht, im Kriegsfalle an der Verteidigung des Vaterlandes teilzunehmen;
er kann in Fällen außerordentlichen Bedarfs zur Ergänzung des Heeres
und der Marine herangezogen werden“ (S. 23).
II. Der Landsturm zerfällt in zwei Aufgebote, deren erstes lediglich aus unaus-
gebildeten Mannschaften besteht, und eine zweite Ersatzreserve darstellt; das zweite Auf-
gebot enthält ferner noch die ausgebildeten Mannschaften, die nach Maßgabe der Alters-
grenze von der Landwehr zweiten Aufgebotes übertreten (§. 24).
III. Zu Ubungen im Frieden wird der Landsturm nicht einberufen, auch findet
keine Kontrolle statt (§J. 31). Der Landsturm wird durch den Kaiser, ausnahmsweise
im Notfall auch durch die kommandierenden Generale und Festungskommandanten (§. 25)
aufgeboten; es finden die für die Landwehr geltenden Vorschriften Anwendung (§. 26).
Die Einberufung erfolgt durch die Landwehrbezirkskommandos, die einberufenen Mannschaften
gehören zum aktiven Heer mit allen Rechtsfolgen dieser Zugehörigkeit; die Einberufung
erfolgt von der jüngsten Jahresklasse ab, doch unter Wahrnehmung der militä-
rischen Interessen (§. 27; Wehrordnung, §. 20, Z. 9). Bis zur Auflösung des Land-
1 Über die Möglichkeit der freien Auswahl des * Die Ausnahmen s. a. a. O., §s. 14, —c.
Truppenteiles s. Wehrordnung, §. 117, Ziff. 5.