Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

142 Das Staatsbürgerrecht. (8. 55.) 
In dem vormaligen Herzogtume Nassau hat die Regelung der Rechtsverhältnisse 
der vormals Reichsunmittelbaren im Wege der vertragsmäßigen Auseinandersetzung mit 
den einzelnen Standesherren stattgefunden.? Was, abgesehen von der Grundsteuer, die 
Frage ihrer Befreiung von Staatssteuern betrifft, so ist davon auszugehen, daß durch 
die Verordnung v. 11. Mai 1867 2 von den bis dahin in dem vormaligen Herzogtume 
Nassau bestandenen direkten Staatssteuern die Gebäudesteuer und die Gewerbesteuer auf- 
gehoben und dagegen die Gebäudesteuer in Gemäßheit des preußischen Gesetzes v. 21. Mai 
1861 und die Klassen= und klassifizierte Einkommensteuer in Gemäßheit des preußischen 
Gesetzes v. 1. Mai 1851 eingeführt worden sind. Bezüglich der neu eingeführten Ge- 
bäudesteuer hat der §. 7, Lit. a der Verordnung v. 11. Mai 1867 bestimmt, daß die 
zu den Standesherrschaften der vormals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen ge- 
hörigen Gebäude von deren Entrichtung nur insoweit befreit bleiben, als sie schon nach 
der bisherigen Gesetzgebung im Genusse dieser Freiheit gewesen sind. Das herzoglich 
nassauische Edikt v. 26. Mai 1821, betreffend die Besteuerung der Gebäude und Hofreite- 
plätze", hat aber nur die zur Selbstbewohnung der Standesherren bestimmten Schlösser 
derselben von der Gebäudesteuer befreit erklärt. 
II. Ein besonderes Privileg besteht reichsrechtlich für Militärpersonen. Durch 
§. 46 des Reichomilitärgesetzes v. 2. Mai 1874 “ ist vorgeschrieben, daß die Verpflich- 
tung der Militärpersonen zur Entrichtung der Staatssteuern sich nach den Landesgesetzen 
regelt, daß jedoch das Militäreinkommen der Personen des Unteroffizier= und Gemeinen= 
standes, sowie für den Fall einer Mobilmachung das Militäreinkommen aller Angehörigen 
des aktiven Heeres bei der Veranlagung beziehungsweise Erhebung von Staatssteuern 
außer Betracht zu lassen ist?; reichsgesetzlich stenerfrei sind ferner die sog. Verstümmelungs- 
zulagen gemäß Reichsgesetz v. 22. Mai 1893 (R. G. B., S. 171), Art. 18; die Feststel- 
lung eines angemessenen Steuernachlasses für die Unteroffiziere und Gemeinen des Be- 
urlaubtenstandes und deren Familien für die Monate, in welchen jene sich im aktiven 
Dienste befinden, bleibt der Landesgesetzgebung überlassen. Diese letztgedachte Bestim- 
mung des §. 46 des Reichsmilitärgesetzes ist bereits wörtlich in sämtlichen Militär- 
konventionen enthalten, welche von Preußen mit deutschen Kleinstaaten geschlossen worden 
sind. Für Preußen hatte das Gesetz v. 25. Mai 1873 wegen Abänderung des Gesetzes 
v. 21. Mai 1851, betreffend die Einführung einer Klassen= und klassifizierten Einkommen- 
steuer 3s, Bestimmungen erteilt, welche jetzt ersetzt sind durch §. 6, Ziffer 3 und 5 und 
§. 65 des Einkommensteuergesetzes. 
Einkommensteuerfrei ist danach 1. das im obigen §. 46 bezeichnete Militäreinkommen 
aktiver Militärpersonen (Einkommensteuergesetz, §. 6, Ziff. 3); 2. der das persönliche pen- 
sionsberechtigende Gehalt übersteigende Teil des Diensteinkommens der Offiziere, die ihren 
dienstlichen Wohnsitz im Auslande haben, eventuell das ganze Diensteinkommen (Ziff. 4); 
  
glichen werden v. Rönne, 4. Aufl., Bd. II, S. 
256 ff. 
1 Die standesherrlichen Familien im vormaligen 
Herzogtume Nassau sind folgende: a) der Fürst 
zu Wied, b) der Besitzer der Grafschaft Leiningen- 
Westerburg, c) der Besitzer der Grasschaft Holz- 
appel und der Herrschaft Schaumburg. Vgl. 
Klüber, Off. R. des D. B., S. 911 und Min. 
Bl. d. i. Verw. 1867, S. 60. 
* Vgl. Klüber, Off. R. des D. B., S. 493 
und Erklärung in dem Prot. der Bundesver- 
sammlung von 1818, EF. 20. 
* G. S. 1867, S. 593. 
* Nassauische Verordnungesammlung, Bd. III, 
. 209 u. Nassauisches Verordnungsbl. 1821, -.49. 
5 Vgl. Laband, Bd. IV, S. 218 f. ddie v. 
Rönnesche Darstellung dieses Punktes war 
größtenteils wörtlich aus Laband entnommen). 
R. G. Bl. 1874, S. 58. — Der S. 46 
des Reichomilitärgesetzes firierte einen schon vor 
  
Erlaß dieses Gesetzes in einzelnen deutschen Staaten 
bestehenden Rechtszustand und machte diesen zum 
allgemeinen Reichsrechte, wodurch er für die Zu- 
kunft gegen Anderungen durch die Einzelgesetz- 
gebung gesichert wurde. Vgl. die Motive zum 
#. 40 des Entw. des Reichsmilitärgesetzes in den 
Stenogr. Ber. des Reichstages 1874, I. Session, 
Bd. III, Aktenst. Nr. 9, S. 54—55. 
7 „Auch die Militärkonventionen enthielten be- 
reits durchweg die Bestimmung, daß das Dienst 
einkommen der Militärpersonen unter Offiziers- 
rang nicht, weder zu Staats-, noch zu Gemeinde- 
zwecken besteuert werden darf“. „Für die Be- 
steuerung des Militäreinkommens der Offiziere 
und der anderen, im Offiziersrange stehenden 
Militärpersonen, sowie für die Besteucrung des 
aus anderen Jnellen fließenden Einkommens sämt- 
licher Militärpersonen enthält die Reichsgesetzgebung 
keine Vorschrift"“. (Taband, Bd. IV, S. 218.) 
* G. S. 1873, S. 213 ff.
	        
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