152 Das Staatsbürgerrecht. (8. 57.)
jede widerrechtliche Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit von seiten anderer Staats-
angehöriger, als auch seitens des Staates selbst. Wo aber der letztere aus Rücksichten
des öffentlichen Rechtes sich zu einer Beschränkung der persönlichen Freiheit der Staats-
bürger genötigt sieht, da bestehen Garantien dafür, daß dies nicht willkürlich geschehe.
Was zunächst denjenigen Schutz der persönlichen Freiheit betrifft, welcher den Staats-
bürgern gegen widerrechtliche Beschränkungen ihrer Person seitens anderer Staatsange-
hörigen gebührt, so ist in dem Art. 5 der Verfassungsurkunde die Gewähr gegen jede
Art solcher Beeinträchtigung: enthalten. Der Staat hat die Verpflichtung, jedermann
gegen solche Angriffe zu schützen, welche von anderen in Beziehung auf das Recht der
persönlichen Freiheit unternommen werden. Das Strafgesetzbuch aber erteilt die weiteren
Bestimmungen darüber, welche Handlungen als Verbrechen oder Vergehen wider die per-
sönliche Freiheit anzusehen und wie solche zu bestrafen sind.
2. In dem durch den Art. 5 gewährleisteten Rechte der persönlichen Freiheit liegt
dann ferner das (von der Verfassungsurkunde nicht speziell wiederholte) Verbot der Leib-
eigenschaft3 mit allen ihren Wirkungen.“ Sklavenhandel und Sklavenraub sind durch
preuß. Staatsbürger, deren Schutz, Entziehung1807 (Mylius, N. C. C. XII, p. 251, Rabe,
und Beschränkung (Berlin, 1867); Jachariä, Samml., Bd. IX, S. 85) verordnet in den S§s§.
St. u. B. R., 3. Aufl., Teil I. S. 458 ff.; 10—12 ganz allgemein die Aufhebung der Guts-
Schulze, Preuß. St. R., Bd. I. S S. 380 ff.; untertänigkeit im ganzen Umfange der Monarchie
Seuffert in Stengels Wörterb., Bd. II, und erklärt jede neue Begründung eines solchen
671 ff. Verhältnisses für unstatthaft. Uber die allge-
1 Zum Schutze der persönlichen Freiheit nicht meine Gültigkeit dieser Bestimmungen für alle
dispositionsfähiger Personen sind schon vor der Landesteile der Monarchie und über den Zeit-
Verf. Urk. ministerielle Erlasse ergangen, welche punkt, mit welchem in den einzelnen Landesteilen
die öffentliche Schaustellung solcher Menschen nuur die Aufhebung der Erbuntertänigkeit in Wirksam-
nach eingeholter polizeilicher Erlaubnis und unter keit getreten ist, vgl. das Nähere in Lette und
der Voraussetzung gestatten, daß dieselben sich in v. Rönne, Landeskulturgesetzgebung des Preuß.
dem Alter befinden, welches die völlige Dispo= Staates, Bd. II, Abt. 1, S. 27—29 u. S. 53 ff.
sitionsfähigkeit verleiht (Zirk. Reskr. des Min. d. In Neuvorpommern und Rügen ist die Leib-
Inn. v. 29. Nov. 1829, v. Kamptz, Ann., Bd. eigenschaft durch das Pat. v. 4. Juli 1806 (v.
XIII, S. 868), desgl. die Erteilung von Ge- Kamptz, Jahrb., Bd. XXXV, S. 305) aufge-
werbescheinen zur Schaustellung und zum Um-= hoben worden. Uber die Gesetze, durch welche
herführen minderjähriger Kinder untersagen (Restr. die Aufhebung in der Rheinprovinz erfolgt ist,
desselben Min. v. 15. Juni u. 19. Aug. 1853, vogl. das Nähere bei Lette und v. Rönne, a. a.
a. a. O., Bd. XVII, S. 502, 503 und 732).., S. 56—57. Über die Aufhebung der Leib-
Zu letzterem Punkte s. jetzt über die einschlägigen eigenschaf in dem vormaligen Königreiche Han-
Vorschriften der Gewerbeordnung unten im Ge= nover vgl. Grefe, Hannovers Recht, 3. Aufl.,
werberecht. Maßgebend sind insbesondere jetzt Teil I, 55. 112 ff., S. 329 ff.: in betreff Kur-
die Bestimmungen des sog. Kinderschutzgesetzes vom hessens Kulenkamp, Systemat. Repertor., §§.
30. März 1903 (R. G. B., S. 113). 1023 ff. und §. 1263, und dessen Literatur des
* R. Str. G. B., §8§. 234—241 (von Ver= kurhess. Rechts, S. 265 u. 358; desgl. Roth u.
brechen und Vergehen wider die persönliche Frei= v. Meibom, Kurhessisches Privatrecht, Bd. I, S.66,
heit). S. 204 ff. — In dem vormaligen Herzogtume
23 Die frühere Leibeigenschaft, sowohl die per= Nassau erfolgte die Aufhebung der Leibeigenschaft
sönliche, als die mit dem Besitze eines Grund= durch die Edikte v. 1. Jan. 1808 und 1.—3.
stückes verbundene, kommt in den Gesetzen unter Sept. 1812, und in den Herzogtümern Schles-
verschiedenen Benennungen, als: Eigenbehörig= wig und Holstein durch die Verordn. v. 23. Juni
keit, Gutspflichtigkeit, glebae adscriptio, meisten- 1797 u. 19. Dez. 1804. Vgl. hierüber: Falck,
teils aber unter dem ein milderes Verhältnis Handtuch des schleswig holstein. Privatrechts,
bezeichnenden Ausdrucke: „Erbuntertänigkeit" oder Bd. IV, S. 203 ff.
„Untertänigkeit" vor. Jede Art von veibeigen- * Der §. 12 des Edikts v. 9. Okt. 1807 be-
schaft ist in Preußen längst aufgehoben. Die stimmt, daß „nur diejenigen Verbindlichkeiten,
Verordn. v. 28 Dez. 1804 (Rabe, Samml., welche den früheren Gutsuntertanen vermöge des
Bd. VIII, S. 232) hatte dies bereits in betreff Besitzes eines Grundstückes oder vermöge eines
der königlichen Untertanen in den ostpreuß. und besonderen Vertrags obliegen, in Kraft bleiben“.
litauischen Domänen getan, und die Kab. O. Über die Zweifel, welche darüber entstanden sind,
v. 28. Okt. 150 (a. a. O., 5n IX, S. 88, welche Rechte und Pflichten demnach mit der
Mylius, N. ( Tom. XII, 257) bemerkt, Aufhebung der Untertänigkeit weggefallen sind,
daß im Ster Preusien bin gleiches be= vgl. das Nähere und inobesondere auch die hier-
reits von König Friedrich Wilhelm I. betreffs über ergangenen Deklarationen und Präsjudikate
der Domäneneinsassen geschehen sei (s. Bd. 1, in Lette und v. Rönne, Landeskulturgesetz-
S. 18), was die gedachte Kab. O. auf sämt= gebung, Bd. II, Abt. 1, S. 58 ff. — Der Art.
liche Domänen ausdehnt. Das Edikt v. 9. Okt. 12 der Verf. Urk. erklärt unter andern für ohne
Kglms #