Freiheit und Sicherheit der Person. (8. 57.) 159
zunächst vorgeführt worden, dem zuständigen Gerichte oder Untersuchungsrichter vorzu—
führen, und haben diese spätestens am Tage nach der Vorführung über die Freilassung
oder Verhaftung des Festgenommenen zu entscheiden (S. 129 a. a. O.).
6. Das Gesetz v. 12. Febr. 1850 unterscheidet ebenso wie die Reichsstrafprozeß-
ordnung zwischen der Verhaftung einer Person kraft richterlichen Befehles (§. 1) und
der vorläufigen Ergreifung und Festnahme einer Person ohne richterlichen Befehl (8. 2)
und enthält (§§. 3—5) über das in diesen Fällen zur Sicherung gegen willkürliche Ver-
haftung zu beobachtende Verfahren im wesentlichen gleiche Vorschriften, wie die Reichs-
strafprozeßordnung, deren Bestimmungen, insoweit das Gebiet des Strafprozesses in Be-
tracht kommt, jetzt an die Stelle derjenigen des Gesetzes v. 12. Febr. 1850, beziehungs-
weise der Bestimmungen der Strafprozeßordnung v. 25. Juni 1867 getreten sind. Da-
gegen sind die Bestimmungen des Gesetzes v. 12. Febr. 1850 in Kraft geblieben für das
rein polizeiliche Gebiet; für dieses Gebiet bestehen gegen willkürliche Verhaftung nur
die Garantien der §§. 3—5 des zitierten Gesetzes.1
7. Abgesehen von der förmlichen Verhaftung und der vorläufigen Ergreifung und
Festnahme einer Person enthält überdies der §. 6 des gedachten Gesetzes? die Bestim-
mung, daß die Polizeibehörden und diejenigen Beamten, welchen nach den bestehenden
Gesetzen die Pflicht obliegt, Verbrechen und Vergehen nachzuforschen, sowie die Wacht-
mannschaften befugt sind, Personen in polizeiliche Verwahrung zu nehmen, wenn ent-
weder a) der eigene Schutz dieser Personen?, oder b) die Aufrechterhaltung der öffent-
lichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe diese Maßregel dringend erfordert, daß jedoch
anwaltschaft (uvgl. 8. 146, Abs. 2 des Gerichts-
verfassungsgesetzes) befindet, ist der Festgenommene
zunächst dieser vorzuführen; dieselbe hat, falls v. Rönne in den früheren Auflagen (4. Aufl.,
sie nicht die Freilassung verfügt, alsbald die Vor-- S. 45, N. 1), der nur die Fortgeltung des
führung vor den Amtsrichter zu bewirken und S. 6 anerkennen wollte, vgl. auch H. Seuffert,
zugleich die geeigneten Antäge zu stellen. Anderen= a. a. O., S. 676.
falls ist der Festgenommene mit Ubergehung der * Dieselbe Bestimmung enthält der §. 127 der
Staatsanwaltschaft unmittelbar dem Amterichter St. P. O. v. 25. Juni 1867 für die i. J.
vorzuführen. — Eine Privatperson, welche die Fest. 1866 mit der Monarchie vereinigten Landesteile
nahme bewirkt hat, darf in allen Fällen den Fest= (G. S. 1867, S. 964).
genommenen auch einem Polizei= oder Sicherheits- * Vgl. Schultzenstein, Die Grenzen der
beamten übergeben. Unter dem Ausdruck: „vorzu--= Polizeigewalt beim Schutze gegen sich selbst.
führen“ ist zu verstehen, daß der Festgenommene D. Jur. Ztg. 1904, S. 80 ff., 130 ff., insbes. 135.
dem Amtsrichter uner Mitteilung des Sachver- “ Vgl. H. Seuffert, a. a. O., S. 690 f.,
halts zur Verfügung gestellt wird. Wenn die ferner die preußische Instruktion für die Wach-
Festnahme außerhalb des Ortes erfolgt, an welchem tmannschaften v. 29. Jan. 1881. Im S. 3
der Amtsrichter seinen Sitz hat, so muß der Fest= des G. v. 24. Sept. 1848 hieß es statt dessen:
genommene auch sofort an diesen Ort transpor= „Während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die
tiert werden. — Daß es nicht in allen Fällen der] Ordnung auf den Straßen oder an öffentlichen
persönlichen Vorführung des Festgenommenen Orten gefährden“. Dies erachtete man indes für
bedürfe, sondern die Ubersendung der betreffen, zu eng begrenzt, weil auch an anderen als den
den Verhandlungen genügend sei, hat (in bezug bezeichneten Orten, namentlich in Privathäusern,
auf das G. v. 12. Febr. 1850 auch bereits Personen, die sich keines Verbrechens schuldig ge-
das Zirk. Reskr. des Instizmin. v. 7. Dez. 18500 macht haben, in Verwahrung müssen genommen
zu 1 (J. M. Bl., S. 415; M. Bl. d. i. Verw. werden können, und dann, weil der Auedruck:
1851, S. 13) ausgesprochen, welches indes be= „gefährden“ auf die Notwendigkeit einer tätigen
merkt, daß die persönliche Vorführung allemal Beteiligung schließen lassen könnte, während schon
erfolgen müsse, wenn sie von dem vorläufig Fest= ein passives Verhalten Grund zur polizeilichen
genommenen verlangt oder durch besondere Um= Verwahrung sein könne (vgl. Komm. Ber. der
stände gerechtfertigt wird. Vgl. auch den Komm. I. K. in den Stenogr. Ber., S. 1651, und der
Ber. der II. K. in deren Stenogr. Ber. 1819—50, II. R., S. 2388—2389). — Ubrigens ist nicht
S. 2388. Die Vernehmung des Festgenommenen zu bezweifeln, daß unter den im §. 6 des G.
hat insoweit zu erfolgen, als dies für die Be= gedachten Fällen auch der begriffen ist, wenn je-
schluß fassung des Amterichters (§. 128, Abs. 22 er= mand, der aus der Sluafanstalt entwichen ist,
forderlich ist (ugl. auch §. 164 der N. St. P. L.). wieder ergriffen wird (vgl. Stenogr. Ber. I. K.
Dieselbe kann ganz unterbleiben, wenn der Amts-= 1819—50, S. 1651). — Uber die Anwendbar-
richter die sofortige Freilassung für geboten er= keit des §. 6 des G. auf die der Prostitution er-
achtet. gebenen Frauenzimmer vgl. das Reskr. des Min.
1 G. Meyer-Anschütz vehrb. des D. St. R., d. Inn. v. 7. Juli 18500 (M. Bl. d. i. Verw.
S. 803 f.), und Schulze (Lehrb. des D. St. R.., 1850, S. 247). Uber die Zulässigkeit von Zwang
S. 372). Ebenso Arndt, Komm., S. 57;
Schwartz, Komm., S. 58. A. A. war