Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit der Person. (§. ö7.) 171 
v. 1. Nov. 1867 süber die Freizügigkeit, in Ausführung des Art. 3 der 
Verfassung des Norddeutschen Bundes, die in Altpreußen bereits seit dem 
31. Dez. 1842 bestehenden Grundsätze über die Freizügigkeit zur Anerken- 
nung gebracht und sie zugleich auf das gesamte Bundesgebiet übertragen. 
Durch die reichsgesetzliche Ordnung der Materie ist in dieser Grundfrage 
des bürgerlichen Lebens nicht nur volle Einheit im Sinne der vollen Frei- 
heit erreicht, sondern auch dieser „Grundsatz jeder Einschränkung durch 
Landesrecht entzogen. 
II. Der Art. 3 der Verfassung des Norddeutschen Bundes hatte zunächst für den 
ganzen Umfang des Gebietes dieses Bundes ein gemeinsames „Indigenat“ geschaffen, 
und dieser Artikel ist demnächst in die Verfassung des Deutschen Reiches dahin über- 
nommen worden, daß „für ganz Deutschland ein gemeinsames Indigenat mit der Wir- 
kung besteht, daß der Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in 
jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohn- 
sitze, zum Gewerbebetriebe, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staats- 
bürgerrechtes und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Vor- 
aussetzungen wie der Einheimische zuzulassen“ sei. Diese verfassungsmäßige Gleichstellung 
aller Reichsangehörigen hatte zunächst nur die negative Konsequenz, die Schranken hinweg- 
zuräumen, welche innerhalb jedes Einzelstaates für die wichtigsten Beziehungen des bürger- 
lichen Lebens die eigenen Angehörigen von den Angehörigen anderer Einzelstaaten, die bis 
dahin Ausländer im Rechtssinne waren, trennten. In der Zulassung aller Deutschen zum 
festen Wohnsitze innerhalb jedes Einzelstaates lag bereirs der Grundsatz der allgemeinen Frei- 
zügigkeit. Da aber für die Durchführung dieses Grundsatzes spezialgesetzliche Vorschriften 
erforderlich waren, bestimmte zunächst noch der Art. 3, Abs. 4 der Reichsverfassung „daß 
bis auf weiteres die Verträge in Kraft bleiben sollten, welche zwischen den einzelnen 
Bundesstaaten in Beziehung auf die Ubernahme von Auszuweisenden, die Verpflegung 
erkrankter und die Beerdigung verstorbener Staatsangehörigen bestehen“. Das Reichs- 
indigenat an sich konnte ferner nicht bewirken, daß die Bestimmungen des Gemeinde- 
rechtes, welche innerhalb jedes Einzelstaates für die Mitgliedschaft in der Gemeinde, für 
die Teilnahme an hieraus folgenden Vorteilen u. dgl. besondere Voraussetzungen aufstellten, 
ohne weiteres zugunsten jener Gleichberechtigung außer Kraft traten; auch für Regelung 
dieser Frage bedurfte es sondergesetzlicher Vorschriften. Hierüber bestimmte vorläufig 
Art. 3 im Abs. 3: „daß diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die 
Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband betreffen, durch den im Abs. 1 ausgesprochenen 
Grundsatz nicht berührt werden"“. Man war sich also der Unvollkommenheit des durch 
den Art. 3 begründeten Reichsindigenats nach der Richtung sofortiger, in unmittel- 
barer Konsequenz eintretender Wirkungen bei Errichtung der Reichsverfassung voll- 
kommen bewußt, und wenn man zunächst nur den Begriff „bundesangehöriger Ausländer 
  
Stadt Frankfurt herrschte das direkte Gegenteil 
der gewöhnlichen Zugfreiheit; der Nichtfrankfurter 
hatte dort überall nicht die geringste Nieder- 
lassungsbefugnis (vgl. den Ber. der VI. Komm. 
des Nordd. Neichstages v. 17. Okt. 1867 in den 
Stenogr. Ber. des Reichstages 1867, Aktenst. 
Nr. 109, Bd. II, S. 187; vgl. in Hirths Ann. 
des Nordd. Bundes, Jahrg. 1868, S. 4751. 
2. Aufl., S. 24, 5 o.: Domizilwesen). In Kur- 
hessen bestand nach der Gemeindcordnung v. 
23. Okt. 1834 für die Städte und Landgemeinden 
die Vorschrift, daß keine Gemeinde gezwungen 
werden konnte, dauernden Aufenthalt zu gestatten, 
wenn der Zuziehende nicht vorher Gemeinde- 
bürger wurde, zu welchem Zwecke er den gesetz- 
lichen Vermögensnachweis zu liefern hatte, wo- 
gegen vorübergehender Aufenthalt nur auf Zeit 
und zum unselbständigen Gewerbebetriebe zulässig 
war. (Vgl. Klauhold, Kurhessisches Rechts- 
buch, §§. 118—124, S. 67 ff.) In Nassau war 
der dauernde Aufenthalt, zufolge der Gemeinde- 
ordnung v. 26. Juli 18544, an das Erfordernis 
der Gemeindeangehörigkeit geknüpft, für deren Er- 
werb jedoch leichtere Bedingungen gestellt waren; 
die Entscheidung über den vorübergehenden Aufent- 
halt war ebenfalls im wesentlichen der diskretionären 
Gewalt der Behörden überlassen. In der „freien“ 
  
Alle diese Verschiedenheiten sind jetzt gegenstandslos, 
entbehren aber nicht eines besonderen Interesses 
für die Vergleichung des Rechtszustandes dieser 
Territorien mit dem alibreupischen. 
1 B. G. Bl. 1867, S. 
* Nämlich die Statvertraze d. d. Gotha v. 
15. Juni 1851 und d. d. Eisenach v. 11. Juli 
1853 (G. S. 1851. S. 711 u. 1853, S. 877 
u. Hirths Ann., Jahrg. 1868, . 478 u. 4811. 
Über den Inhalt bieser Verrräger — G. Meyer, 
Verw. R., Bd. I. S. 117.
	        
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